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Der Skandal (German Edition)

Der Skandal (German Edition)

Titel: Der Skandal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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gedacht, bist derjenige, mit dem ich es teilen könnte. Aber sag mir, wenn ich mich getäuscht habe. Manchmal macht man sich was vor, wenn man etwas zu sehr will.«
    Er sieht sie nur an.
    »Katie …«, fängt er schließlich an und nimmt ihre Hand. Er weiß, er muss jetzt etwas Bedeutungsvolles sagen, sonst ist alles vorbei. Sonst kann er aufstehen und gehen und braucht nicht wiederzukommen. »Katie, ich …« Er steht auf. »… Ich liebe dich.« Er zieht sie an sich und hält sie fest, so fest, wie die Folie es zulässt. Und er strengt sich an, etwas anderes zu empfinden als Traurigkeit.
    Als er sie loslässt, lächelt sie glücklich. »Himmel, der Braten verbrennt noch!«
    Harpole musste aufstehen, er musste sich in ihre Küche setzen und das Radio einschalten. Jetzt sitzt er auf einem Barhocker im Dunkeln und lauscht.
    »… Ablehnung. Jeder von uns kennt Ablehnung. Kinder erfahren Ablehnung in der Schule. Wenn der Lehrer unzufrieden ist mit ihnen. Oder wenn sie schlechte Noten bekommen. Das ist Ablehnung. Wenn Eltern sich nicht um ihr Kind kümmern – das ist Ablehnung. Abtreibung ist Ablehnung, wenn ein Antrag nicht bewilligt wird, das ist Ablehnung. Auch manche Spitznamen bedeuten Ablehnung: Fettwanst, Qualle, Drecksack. Scheidung ist Ablehnung. Ablehnung erfährt man wegen der Hautfarbe, Immigranten erfahren Ablehnung. Ablehnung verletzt uns tief, und wir quälen uns mit der Frage: Was kann ich tun, damit ich nicht abgelehnt werde? Der Feind kommt auf unterschiedlichen Wegen zu uns. Er sagt uns: Jesus hasst dich! Und das ist die Hölle: die Ablehnung durch Gott.«
    Er hat Katies Vorschlag mit dem Haus abgelehnt. Damit hat er sie verletzt. Hätte er Ja sagen sollen? Wenn er Ja gesagt hätte, wäre sie glücklich gewesen. Wenn er … Er lauscht wieder der Stimme im Radio.
    »Aber wahr ist: Jesus hasst dich nicht. Jesus lehnt dich nicht ab. Denn er hat sein Blut für dich vergossen. Das Lamm Gottes hat sein Blut für dich vergossen! Aus Liebe! Gott lehnt dich nicht ab. Aber wenn du das glaubst, dann wirfst du dich selbst in die Hölle. Die Hölle ist der Teufel, der dir sagt, dass Gott dich ablehnt, weil du Fehler gemacht hast. Er kommt jeden Tag mit neuen Vorwürfen. Und ich habe gelernt zu sagen: Ja, ich habe Fehler gemacht, aber das Blut des Lammes hat mich befreit! Jesus hat sein Blut für uns vergossen …«
    »Hal!«
    Er blinzelt erschrocken ins Licht. Reflexartig macht er das Radio aus. Katie steht im Nachthemd in der Tür. »Was hörst du denn da für ein Zeug! Kein Wunder, dass du solche Sachen denkst!«
    »Ich hab’s ganz leise gemacht. Ich wollte dich nicht wecken.«
    »Komm wieder ins Bett.«
    »Ich kann nicht schlafen.«
    »Wir müssen etwas dagegen unternehmen, Hal. Du siehst von Tag zu Tag schlechter aus. Hat es mit der Arbeit zu tun?«
    »Nein!«, erwidert er sofort. »Es … es ist …«
    Sie ist zu ihm an die Theke gekommen und sieht ihn besorgt an.
    »Ich will nicht, dass du dir Sorgen machst.«
    »Mach ich mir aber. Weil ich dich liebe. Weil du mir etwas bedeutest. Und ich kann einfach nicht mitansehen, wie du dich quälst …« Sie nimmt seine Hand und drückt einen Kuss darauf.
    »Du hast recht, ich sollte nicht so viel grübeln.« Er versucht ein Lächeln.
    »Genau. Und am besten hörst du diesen Sender auch nicht mehr.«
    Er rutscht vom Barhocker. »Ja. Ist wahrscheinlich besser.«
    »Eben!«
    »Und außerdem ist es noch viel zu früh zum Aufstehen«, sagt er.
    Er nimmt ihre Hand, und sie gehen zurück ins Schlafzimmer. Er will sich Mühe geben, das nimmt er sich ganz fest vor. Er will nicht mehr daran denken. Nie, nie wieder.
    Christina wünscht sich, sie könnte das Aufstehen noch hinauszögern. Da draußen wartet die Welt mit all ihren Grausamkeiten – aber da wartet auch Jay. In der Diele zieht sie ihre dicken Winterschuhe über die bloßen Füße und wirft sich die Daunenjacke über, dann stapft sie durch den Neuschnee zum Briefkasten. Aus dem Van, der am Bordstein steht, sieht ihr Tana Schriner entgegen. Sie wohnt mit ihrem Mann Kevin und ihrer Tochter Amy ein Stück weiter die Straße hinauf, Christina fährt jeden Tag an dem Haus vorbei. Tana hat das Seitenfenster heruntergelassen.
    »Chris! Mein Gott, es ist so schrecklich! Ich kann immer noch nicht glauben, dass das passiert ist! Es tut mir ja so leid!«
    Christina macht ein paar Schritte auf den Van zu.
    Sie hat das Gefühl, die schreckliche Nacht liegt schon eine Ewigkeit zurück und sie selbst ist inzwischen um Jahre

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