Der Skandal (German Edition)
hören, ob sie heute Abend Zeit hat, da kommt seine Sekretärin herein. Bevor sie etwas sagen kann, drängt sich schon jemand an ihr vorbei in den Raum. Großartig, der hat mir gerade noch gefehlt, denkt Ochs und zwingt sich zu einem herzlichen Lächeln.
»Stan!« Er steht auf und streckt dem Besucher die Hand entgegen. »Was führt denn den Polizeichef von Milwaukee zu mir?«
Die gläsernen Kuppeln im Botanischen Garten blitzen im frühen Sonnenlicht, das sich durch die Wolkendecke gekämpft hat.
Muller bleibt mitten auf dem Weg durch den Mitchell Park stehen und tut so, als genieße sie den Blick auf die Stadt.
»Weshalb haben Sie mich hier rausbestellt, Andersson?«, fragt sie. Sie hat die Sonnenbrille nicht abgesetzt.
»Es könnte ein Polizist gewesen sein«, sagt Christina. Jetzt bleibt auch sie stehen. Und dann erzählt sie von Tanas Beobachtung und erwähnt Jays Reaktion im Krankenhaus auf Officer Phillips.
»Officer Phillips? Wollen Sie ihm einen Mord anhängen?«
»Nein! Ich meine, es ist die Uniform.«
Muller geht weiter, Christina folgt ihr.
»Jemand hat sich als Polizist ausgegeben, und Ihr Bruder hat ihm die Tür geöffnet?«, fragt Muller. »Kann sich Ihre Nachbarin an noch mehr Details erinnern?«
»Nein. Aber wir sollten nach weiteren Augenzeugen suchen.«
Sie gehen schweigend weiter.
»Ihr Mann ist ein sehr erfolgreicher Architekt«, fängt Christina schließlich an. »Wie viele Millionen würde er verlieren, wenn man das Projekt in Ashland stoppen würde?«
Muller antwortet nicht.
»Die Bedenken der Umweltschützer interessieren ihn wohl nicht, oder?«, redet Christina weiter. »Um Gottes willen, bloß keine Geschichten von Kindern, die an Leukämie erkrankt sind!«
Muller bleibt stehen und starrt sie hinter schwarzen Brillengläsern an. »Adam ist ein sehr guter Architekt«, sagt sie in ihrer typischen arroganten Art, »einer der besten hier. Er hat sich diese Position über viele Jahre hart erarbeitet. Und er ist ein sehr rücksichtsvoller Mensch. Wenn es so schwerwiegende Bedenken gäbe, wie Sie gerade andeuten, Andersson, hätte er das Projekt niemals angenommen!« Und dann fügt Muller herablassend hinzu: »Er kann sich Absagen leisten.« Sie sieht auf die Uhr. »War das alles?«
Christina lässt sich nicht beeindrucken. »Nein. Sandra Kondracki ist verschwunden. Und Pete Kondracki arbeitet mit Polycorp Minerals zusammen. Sandra war bei meinem Bruder in Behandlung. Es liegt doch nahe, dass der Mord an meinem Bruder irgendwie mit der Mine in Verbindung steht, richtig?«
Muller lässt den Blick über den weitläufigen verschneiten Park schweifen. In der Ferne laufen zwei Jogger mit ihren Hunden. »Und ich profitiere durch meinen Mann auch von der Mine. Das wollten Sie doch sagen, oder?« Muller schüttelt den Kopf. »Glauben Sie wirklich, ich würde deshalb Informationen zurückhalten oder einen Mörder frei herumlaufen lassen? Glauben Sie das wirklich, Andersson?«, wiederholt Muller und setzt die Sonnenbrille ab. Ihr Blick ist abweisend und kalt. »Bisher haben Sie mir noch keine brauchbaren Informationen geliefert, dass eine Intrige gegen mich im Gange ist.«
»Vielleicht gibt es gar keine Intrige«, antwortet Christina herausfordernd. »Vielleicht wollten Sie mich damit nur auf Ihre Seite ziehen, damit ich nicht weiter in der Scheiße wühle?«
Muller setzt die dunkle Brille wieder auf. »Jemand weiß von Alex und den Drogen«, sagt sie. »Man hat mir Fotos geschickt.«
»Sie werden erpresst …«
»Nein.«
»Sie wollen mir erzählen, jemand macht sich die Mühe und schickt Ihnen kompromittierende Fotos – und das war’s? Warum sollte jemand so etwas tun?« Muller will sie wohl für blöd verkaufen.
»Je höher Sie steigen auf der Karriereleiter, desto mehr Feinde und Neider haben Sie«, sagt Muller. »Und desto angreifbarer werden sie. Das will mir offensichtlich jemand sagen.«
Sie bleiben neben Mullers schwarzem Mercedes stehen.
»Brewer wusste von den Razzien«, sagt Christina. »Vielleicht hat er Ihren Sohn noch vor Big Dees Leuten entdeckt und die Fotos gemacht. Immerhin hat er die Razzien früher angefangen, als es mit Ihnen abgesprochen war.«
Mit einem Plopp springen die Schlösser auf.
»Brewer hat dasselbe Ziel wie Sie, Captain.« Christina ist sich ziemlich sicher, dass ihr Muller hinter der Sonnenbrille einen eisigen Blick zuwirft.
»Sie kennen meine Ziele, Andersson?«
»Hören wir doch mit diesem Spielchen auf, Captain! Jeder weiß, dass Sie Chief
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