Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
Vom Netzwerk:
Karawane auf die Tore von Sulan-Qu zurollen. Arakasis Spion hatte ausdrücklich von einem großen Angriff gesprochen, und seine militärische Erfahrung sagte Lujan, daß der geeignetste Ort für einen Hinterhalt eine in einem Wäldchen gelegene Krümmung der Straße gewesen wäre, die sie am vorherigen Nachmittag ohne Zwischenfälle hinter sich gelassen hatten. Danach blieb nur noch ein nächtlicher Angriff, denn es war unvorstellbar, daß die Minwanabi versuchen würden, die Karawane innerhalb der Stadt in ihren Besitz zu bringen.
    Wieder starrte Lujan auf die Straße. Sein Instinkt schrie geradezu, daß etwas nicht in Ordnung war. Da er jedoch nichts anderes tun konnte als schlafen, stand er auf und ging am Rand des Lagers entlang, wie er es erst wenige Minuten zuvor getan hatte. Er sprach leise mit den Wachen, die er mit seiner ständigen Überwachung allmählich nervös machte. Seine Sorgen zermürbten die Wachsamkeit der Krieger, wie Lujan nur zu gut wußte.
    Der Truppenführer schritt durch den schmalen Gang zwischen den Rücken der Wachen und den Reihen der mit Lederriemen festgezurrten Wagen, die der Abschirmung der Feuerstellen, Needra-Zäune und Männer dienten, die in wechselnden Schichten schliefen. Unter den Leinenplanen verbargen sich Thyza-Säcke; zur Täuschung lugten zwei Stapel Seide unter einer vorstehenden, schlecht zugebundenen Ecke hervor. Der Stoff schimmerte im Mondlicht, weich wie Wasser und von großartiger Qualität.
    Lujan fingerte an seinem Schwert herum. Er überdachte erneut, was er ohnehin schon wußte, und konnte doch zu keinem anderen Schluß kommen: Die Verzögerung der Attacke machte keinen Sinn. Nach Sonnenaufgang würde der Feind warten müssen, bis die Karawane die Stadt durch die südlichen Tore auf dem Weg nach Jamar verlassen hatte. Doch dann wurde ein Hinterhalt viel schwieriger, da sie in Sulan-Qu auch von der Möglichkeit Gebrauch machen konnten, die Ladung auf Barken zu verladen und auf dem Wasserweg zu transportieren. Hatten die Minwanabi möglicherweise zwei Truppen mobilisiert, eine am Ufer und eine auf Booten, um sie auf dem Wasser anzugreifen? Sie hatten genug Krieger, das wußten die Götter. Doch der Gagajin war ein recht schnell dahinfließender Fluß, und ein Kampf würde eine Reihe von Schwierigkeiten – »Truppenführer!« zischte einer der wachhabenden Soldaten neben ihm.
    Lujan zog das Schwert so rasch aus der Scheide, als würde es durch eigene Willenskraft herausdrängen. Der Truppenführer der Acoma täuschte eine Ruhe vor, die er nicht fühlte, als er den Mann drängte zu sprechen.
    »Schaut. Da kommt jemand.«
    Lujan verfluchte seine Nerven, denn sie hatten ihn dazu verführt, noch einen Augenblick zuvor auf die schlafenden Männer zu blicken; jetzt wartete er ungeduldig darauf, daß sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Kurze Zeit später machte er auf der Straße eine einsame Gestalt aus, die langsam näher kam.
    »Er taumelt, als wäre er betrunken«, bemerkte der Krieger. Der Mann stolperte unsicher näher. Sein Schritt war unbeholfen, als könnte er die Ferse seines rechten Fußes nicht benutzen, und einer seiner Arme hing schlaff und unbeweglich herab.
    Als er die letzten Schritte hinter sich brachte und ins Licht kam, sah Lujan, daß sein Lendenschurz blutbefleckt war und das Hemd zerrissen um seine Schultern hing. Die leeren Augen bemerkten die Gegenwart der Soldaten und der lagernden Karawane nicht. »Er ist nicht betrunken – er ist halbtot«, sagte Lujan.
    Der Truppenführer forderte einen in der Nähe stehenden Krieger auf, ihn zu begleiten, als er sich von der Lagergrenze entfernte. Zusammen packten sie den Mann an einer Schulter und am Oberarm, und das nur noch in Fetzen an ihm hängende Hemd fiel zu Boden und enthüllte einen Oberkörper, der voller Schorf und schmutzigem, getrocknetem Blut war. Schockiert blickte Lujan in ein Gesicht, das keinerlei Ausdruck mehr zeigte, und er mußte sich zwingen, tief durchzuatmen. Dieser Mann war bis zum Wahnsinn gefoltert worden.
    »Wer war das?« wollte der Truppenführer wissen.
    Der Mann blinzelte, bewegte die Lippen und schien zu sich zu kommen. »Wasser«, flüsterte er heiser, als hätte er lange Zeit aus vollem Halse geschrien. Lujan forderte einen Diener auf, eine Wasserhaut zu bringen, dann ließ er den verletzten Mann vorsichtig zu Boden sinken. Irgend etwas im Innern des Mannes schien zu zerbrechen, während er trank. Seine mißhandelten Beine zuckten im Staub, und plötzlich

Weitere Kostenlose Bücher