Der Sklave von Midkemia
Möglichkeit, daß dieser Mann ihnen von den Minwanabi untergeschben und somit ein Betrüger war, nicht völlig ausschließen. Nur Arakasi würde es ganz sicher wissen. Wenn die Parole unter der Folter aus dem richtigen Spion herausgequält worden war, hätte wohl jeder feindliche Krieger einer solchen Mißhandlung zugestimmt, wenn dies zum Untergang der Acoma führen könnte.
Kami klammerte sich schwach an Lujans Handgelenk. »Ich weiß nicht, wie sie es herausfanden. Sie riefen mich und brachten mich in diesen Raum.« Er schluckte schwer. »Sie quälten mich … Ich verlor das Bewußtsein, und als ich erwachte, war ich allein. Die Tür war unbewacht. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht hielten sie mich für tot. Viele Minwanabi-Soldaten eilten zu den Booten, um den See zu überqueren. Ich kroch aus dem Raum, in dem sie mich gefangengehalten hatten, und floh als blinder Passagier auf einem der Versorgungsboote. Dann wurde ich erneut ohnmächtig, und als ich das Bewußtsein wiedererlangte, dockte die Flottille in Sulan-Qu an. Nur zwei Wachen standen am anderen Ende der Docks, und so schlich ich mich in die Stadt.«
»Truppenführer Lujan«, unterbrach der Heiler, »wenn Ihr den Mann zu lange ausfragt, kann ich für sein Überleben nicht garantieren.«
Bei der Erwähnung von Lujans Namen wurde Kami plötzlich furchtbar aufgeregt. »Oh Ihr Götter!« flüsterte er heiser. »Dies ist die falsche Karawane.«
Lujan verriet seinen Schock nur durch den festen Griff, mit dem er den Schwertknauf umklammerte. In höchstem Maße angespannt, ignorierte er die Bitte des Heilers und beugte sich über den Mann. Mit übermäßiger Sanftheit fragte er: »Aus welchem Grund sollte der Supai dich von dieser Täuschung unterrichtet haben?«
Der Mann lag völlig ruhig da; ihn kümmerte die Gefahr offensichtlich nicht, in der er sich befand. Flüsternd meinte er: »Es war nicht Arakasi. Die Minwanabi wissen es! Sie lachten darüber und brüsteten sich damit, daß sie von Lady Maras Plan wüßten, während sie mich quälten.«
Ein Frösteln durchfuhr Lujan. »Wissen sie Bescheid über die wirkliche Seidenladung?« drängte er.
Kami nickte. »Ja. Sie schickten dreihundert Männer, um sie zu überfallen.«
Lujan schoß hoch. Er beherrschte den Drang, den Offiziershelm mit dem Federbusch auf die Erde zu schmettern, und schrie: »Verflucht sei die Wankelmütigkeit der Götter!«
Dann, als er sich der neugierigen Augen bewußt wurde, die sich in seine Richtung wandten, winkte er den Heiler und die Soldaten fort und blieb allein bei dem mißhandelten Mann. Der Nachtwind brachte die Flammen zum Flackern. Lujan hob Kanil ein wenig hoch, so daß das übel zugerichtete Gesicht des Spions ganz nah an seines kam, denn er wollte mit ihm sprechen, ohne daß jemand mithörte. »Bei deinem Leben und deiner Seele, weißt du, wo?«
Ein heftiges Zittern fuhr durch Kanils Körper. Doch seine Augen blieben fest, als er sagte: »Der Angriff wird auf der Straße durch das Kyamaka-Gebirge stattfinden, jenseits der Grenzen der Tuscalora, an einer Stelle, wo die Wagen aus einer Senke auf einen Kamm im Westen hinauffahren müssen. Das ist alles, was ich weiß.«
Lujan schien ins Leere zu starren, doch vor seinem geistigen Auge zogen die Gesichter derjenigen vorbei, die von Feinden getötet worden waren. Mit einer Klarheit, die ihm in krisenhaften Augenblicken zu eigen war, rief er sich nach und nach jedes kleine Tal, jedes Versteck und jede Spalte jener Berge in Erinnerung, die er noch aus der Zeit kannte, da er Anführer einer Bande von Grauen Kriegern gewesen war. Viele dieser Stellen eigneten sich für einen Hinterhalt, doch nur eine entsprach dieser Beschreibung und konnte drei Kompanien verbergen. »Wie lange ist es her, seit die Minwanabi-Hunde Sulan-Qu verlassen haben?« fragte er. Es schien, als würde er träumen.
Kanils Kopf sackte zur Seite. »Ein Tag, vielleicht auch zwei. Ich weiß es nicht. Ich war bewußtlos, in irgendeiner Hütte in Sulan-Qu, und die Götter allein wissen, wie lange ich dort gelegen habe – eine Stunde oder vielleicht auch einen ganzen Tag.« Er schloß wieder die Augen, zu mitgenommen, um noch mehr hinzufügen zu können; die Kraft, die er für den Zweck zusammengerafft hatte, seine Nachricht zu überbringen, wich jetzt von ihm. Lujan ließ den erschlafften Mann wieder auf die blutverschmierte Decke sinken. Er protestierte nicht, als der Heiler heraneilte und sich um den Mann zu kümmern begann.
Lujan beendete seine
Weitere Kostenlose Bücher