Der Sklave von Midkemia
den Tod durch die Klinge fürchtete. Nein, es waren nur das Alter und die Erschöpfung und die tiefe Sorge um seine Lady, die seine Finger zittern ließen. Keyoke warf einen prüfenden Blick auf sein Schwert und die Messer in ihren Scheiden; als er schließlich wieder aufschaute, sah er vor sich den Wasserjungen mit Eimer und Schöpflöffel; er wartete darauf, daß er an der Reihe war. Auch der Junge zitterte, obwohl er sich so aufrecht hielt wie die anderen Männer.
Keyoke empfand Stolz auch auf das geringste Mitglied seiner Kompanie. »Wir haben soviel Wasser, wie wir wollen. Sorge dafür, daß die Soldaten viel trinken«, sagte er.
Der Junge brachte ein unsicheres Lächeln zustande. »Ja, Kommandeur.« Er stellte den Eimer in den Teich, ebenso bereit, für seine Herrin zu sterben, wie der älteste, erfahrenste Soldat.
Keyoke erhob sich und ließ seinen Blick über das geschäftige Hin und Her schweifen. Die Diener kauerten bei den schwelenden Feuern, die Krieger hatten sich zur Wache an den Barrikaden versammelt. Sie alle bewahrten Disziplin. Die Soldaten waren keine Neulinge mehr und widerstanden der Versuchung, in den Feuerschein zu blicken; er mußte sie nicht daran erinnern, daß ihr Überleben von der ungetrübten Fähigkeit abhing, auch in dunkler Nacht etwas erkennen zu können. Keyoke seufzte lautlos; er wußte, es blieb ihm jetzt nichts mehr zu tun, als seine Runden zu machen und die Männer zu ermutigen, die wußten, daß sie nur noch wenige Stunden zu leben hatten.
Keyoke schluckte das fade schmeckende Needra-Fleisch hinunter. Dann wandte er sich an den Koch, der seinen leeren Teller mitnehmen wollte. »Du bist mein Sprecher zu den Dienern. Sollten die Minwanabi unsere Barriere durchbrechen und unsere letzten Soldaten im Sterben liegen, nehmt ihr mit den Schilden die brennende Asche auf und schleudert sie auf die Seide. Dann stürzt ihr euch auf die Minwanabi, damit sie gezwungen sind, euch mit Schwertern zu töten und euch einen ehrenvollen Tod zu gewähren.«
Der Koch neigte seinen Kopf in demütiger Dankbarkeit. »Ihr ehrt uns, Kommandeur.«
Keyoke lächelte. »Ihr werdet die Lady und ihr Haus ehren, wenn ihr meinen Anordnungen folgt. Dann müßt ihr wie Krieger sein.«
Der alte Mann, an dessen Namen sich Keyoke nicht mehr erinnern konnte, sagte: »Wir werden das Vertrauen von Lady Mara nicht enttäuschen, Kommandeur.«
Keyoke hatte den Befehl gegeben, daß abwechselnd jeder dritte Mann in den hinteren Ted der Schlucht gehen und eine schnelle Mahlzeit zu sich nehmen sollte. Die zweite Gruppe hatte das Essen bereits beendet, jetzt nahm die dritte ihren Platz an den Feuerstellen ein. Befehlshaber Dakhati wurde etwas langsamer, als Keyoke sich vom Feuer entfernte. Der junge Offizier konnte seine Unruhe kaum unterdrücken und fingerte am Rand seines Helms herum. »Was für eine Taktik habt Ihr im Sinn, Kommandeur?«
Noch einmal ließ Keyoke seinen Blick in der Schlucht umherschweifen, die bereits nach Aas stank. In das natürliche Grau und Schwarz mischte sich das flackernde Orange der abgeschirmten Feuerstellen. Es gab nichts mehr zu tun, und so antwortete er nach kurzer Überlegung: »Warten. Und dann kämpfen.«
Mit einer Wachsamkeit, die er während seiner Zeit als Banditenführer gelernt hatte, ließ Truppenführer Lujan seinen Blick über die Umgebung schweifen. Das Mondlicht schien viel zu hell, und die nach allen Seiten offene Ebene entlang der Flußstraße entsprach ganz und gar nicht dem Gelände, in dem er am liebsten kämpfte. Doch das flache Gelände verschaffte ihnen den Vorteil, einen herannahenden Feind erkennen zu können, und er hatte jeden Soldaten bei sich, den Mara entbehren konnte. Es würden mindestens drei volle Kompanien nötig sein, wenn die Minwanabi eine Chance haben wollten, die im Kreis aufgestellten Wagen zu durchbrechen – und nicht weniger als fünfhundert Mann, wenn sie sich des Sieges sicher sein wollten. Dennoch fühlte Lujan sich unbehaglich und hatte das unwiderstehliche Verlangen umherzuwandern. Noch einmal kontrollierte er die Verteidigungsmaßnahmen, warf einen prüfenden Blick auf die Bogenschützen oben auf den Wagen und stellte fest, daß alles in Ordnung war, während die Köche die Spuren der Abendmahlzeit beseitigten. Seine düstere Vorahnung legte sich jedoch nicht, sondern wurde nur noch stärker, denn die erwartete Attacke war bereits überfällig.
Die Minwanabi hätten schon längst angreifen müssen. Morgen bei Tagesanbruch würde seine
Weitere Kostenlose Bücher