Der Sklave von Midkemia
eilten zu der jetzt zerbrochenen Barrikade, zerrten die Toten zwischen den Ästen und Felsstücken hervor und warfen die Leichen – gleichgültig, ob Acoma oder Minwanabi – in den rückwärtigen Bereich der Schlucht. Diener warteten bereits und nahmen den Gefallenen alles ab, was noch irgendwie von Nutzen sein konnte: Rüstungen und Schwerter, die nicht zu sehr beschädigt waren, Schilde und Dolche, gelegentlich auch eine Hüfttasche mit etwas Verpflegung – all das wanderte rasch zu den Vorräten der Acoma. Wieder andere Diener suchten den Boden nach Pfeilen ab, die nicht an den Steinwänden der Schlucht abgeprallt und zersplittert waren. Inzwischen schossen die Bogenschützen der Acoma genausooft mit Pfeilen der Minwanabi wie mit ihren eigenen.
Die nackten Leichen wurden einfach liegengelassen, wo sie gerade waren, während Soldaten und Diener fieberhaft daran arbeiteten, die Barrikade wieder in Ordnung zu bringen. Keyoke trauerte insgeheim um Dakhatis Männer, die noch immer auf der anderen Seite kämpften; er betete, daß sie es ihren Feinden schwermachen würden, sie zu töten, und daß ihre Schmerzen ehrenvoll kurz sein würden. Doch ihr Opfer würde ihren Kameraden Zeit verschaffen, um die zerbrochene Barrikade neu zu errichten und den Minwanabi noch mehr unverhältnismäßig großen Schaden zuzufügen.
Mindestens fünfzig tote Minwanabi lagen auf der Lichtung. Keyoke berichtigte sich im stillen; die Feinde hatten jetzt nahezu dreihundert Tote oder Schwerverletzte. Ein Blick gen Himmel verriet ihm, daß der Tag bereits zur Hälfte verstrichen war – und ihre Position war nicht schlechter als noch bei Tagesanbruch, vielleicht sogar besser.
Und doch wußte immer noch niemand, wie viele Kompanien die Minwanabi gegen sie eingesetzt hatten.
Keyoke änderte seine Position etwas, um über die Barrikade hinwegsehen zu können. Wenn in Dakhatis kleiner Gruppe noch jemand am Leben und zum Rückzug in der Lage war, würde er es bald versuchen müssen. Keyoke wußte, daß alle Soldaten in den Plan eingeweiht waren, doch mehr als einmal hatte er erlebt, wie in der Aufregung der Schlacht Befehle mißverstanden worden waren. Der Kommandeur blieb daher an Ort und Stelle, um irgendwelche Hitzköpfe daran zu hindern, womöglich auf ihre eigenen Kameraden loszugehen.
Die Schlucht stank inzwischen nach Schweiß, Exkrementen und Tod. Die Geräusche des Kampfes hallten von den steil abfallenden Felswänden wider. Die Minuten zogen sich in die Länge, und Fliegen schwirrten umher. Keyoke und die anderen Krieger warteten unter der stechenden Sonne besorgt auf das erste Acoma-Grün im Engpaß jenseits der Barrikade.
Nach einiger Zeit akzeptierte Keyoke, was er von Anfang an erwartet hatte: Dakhati und seine Gruppe waren so weit vorgestoßen, daß es keine Möglichkeit zum Rückzug mehr gab. Sie hatten niemals die Absicht gehabt zurückzukehren. Der Befehlshaber wußte so gut wie Keyoke, daß die Minwanabi letztlich siegen würden. Ungeachtet der Befehle hatte es sich Dakhatis kleine Gruppe daher zum Ziel gemacht, so lange wie möglich durchzuhalten und so viele Feinde wie möglich zu töten, bevor der Tod sie ereilte.
Keyoke schaute still nach oben zum Himmel und wünschte ihnen Erfolg. Er verdrängte die Trauer über den Verlust seiner mutigen Krieger und auch die Sorgen darüber, was diese Niederlage für Lady Mara bedeuten mochte. Statt dessen griff er sich drei Diener und den kleinen flinken Wasserjungen und forderte sie auf zu versuchen, über die Barrikade zu entwischen. Wenn Dakhati die Feinde weit genug zurückgedrängt hatte und die vier möglicherweise rasch in der Deckung des Waldes verschwinden konnten, würde einer von ihnen vielleicht doch noch das Herrenhaus erreichen.
Doch seine Hoffnungen wurden rasch zunichte gemacht. Einige Minwanabi-Soldaten, noch blutverschmiert von der Auseinandersetzung mit Dakhatis Männern, töteten die vier, ehe sie weglaufen konnten. Vielleicht starben sie voller Furcht, doch sie schrien und winselten nicht; auch der Wasserjunge ging aufrecht in den Tod, ein Küchenmesser in der Hand.
Möge Turakamu diesen Heldenmut gütig annehmen, betete Keyoke. Er hatte auch seinen eigenen Tod bereits als unausweichlich akzeptiert. Er fingerte an dem abgegriffenen Schwertknauf herum, der ihm so vertraut war wie ein Bruder. Doch welch einen Preis würde der Feind zahlen müssen!
Der Sonnenuntergang rückte näher. Das düstere Licht wandelte sich zur farblosen Dämmerung, die nur eine
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