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Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Bindet das Bein ab, und schiebt das verdammte Ding durch!« Zögernd gehorchten sie. Der Schmerz trieb Keyoke das Wasser in die Augen, und er verlor jeden Sinn für Zeit und Raum. Nach einigen Minuten der Schwärze kehrte sein klares Denken zurück, und er sah die Soldaten die Wunde abbinden; die Qual in seinem Bein war jetzt zu einem dumpfen Schmerz geworden.
    Keyoke befahl den Kriegern, ihm auf die Beine zu helfen, und einen Augenblick stand er unsicher da. Er weigerte sich, einen Stock von den Büschen zu Hilfe zu nehmen, sondern stapfte mit kleinen Schritten weiter. Bei jedem Schritt, bei jeder Bewegung pochte sein Oberschenkel wie verrückt. Doch niemals würde einer der Männer in der grünen Rüstung der Acoma seine Befehlsgewalt in Frage stellen; er besaß immer noch das Kommando über die Armee.
    Er beförderte einen besonders klugen jungen Soldaten namens Sezalmel zum Befehlshaber, nur um ihn weniger als eine Stunde später sterben zu sehen. Sezalmel hatte in wilder Raserei den schwersten Angriff der Minwanabi seit Sonnenuntergang zurückgedrängt – der zweite, bei dem sie beinahe die Barrikade durchbrochen hatten. Sein Einsatz drängte die Angreifer zurück, allerdings nur unter schweren Verlusten. Die Acoma wurden müde, doch die Krieger der Minwanabi schienen unermüdlich zu sein. Keyoke vergeudete keine Zeit damit, einen anderen Mann zu befördern. Es bestand nicht mehr die Notwendigkeit, da die Acoma-Krieger mittlerweile weniger als eine kleine Kampftruppe zählten. Ein zweiter Befehlshaber war überflüssig.
    Keyoke schlurfte zu den Dienern und ordnete die Verteilung der Rationen an. Angesichts der vielen Todesopfer konnte jetzt jeder Mann soviel essen, wie er wollte. Wenn die Soldaten schon keine warme Mahlzeit erhalten konnten, würden sie wenigstens nicht mit leerem Magen kämpfen müssen. Keyoke nahm einen Keks und einen Streifen Needra-Fleisch. Er hatte keinen Appetit, doch er zwang sich zu kauen. In seinem rechten Bein pochte es unaufhörlich, und die angeschwollene Haut an der Eintrittsstelle brannte. Als niemand hinsah, spuckte er den geschmacklosen Bissen aus. Er trank von dem Wasser, als er an der Reihe war, und kämpfte gegen eine plötzliche Übelkeit an. Sein Hals schien immer noch trocken von den Keksen zu sein, und er fragte sich, ob er bereits fieberte. Dann kehrten seine Gedanken wie immer zu seinen Kameraden zurück.
    Keyoke schätzte, daß im Laufe des Tages mehr als dreihundertfünfzig Minwanabi vor den Barrikaden gefallen waren. In der Nacht würden es weniger sein, da seine Krieger immer schwächer wurden. Doch mindestens fünfzig Feinde hatten noch nach Sonnenuntergang ihr Leben gelassen. Seine Soldaten töteten immer noch fünfmal mehr von Maras Feinden als umgekehrt. Trotzdem nahmen die Verluste zu, und sehr bald würde es für seine zusammenschrumpfende Streitmacht schwierig sein, die Minwanabi daran zu hindern, die Barrikade zu überwinden und die letzten Verteidiger zu töten. Keyoke blickte mit Stolz auf das zurück, was bisher geschehen war. Die Truppe der Acoma hatte weitaus länger standgehalten, als man hätte erwarten können, und möglicherweise konnten sie das Ende bis zum Morgengrauen hinauszögern.
    Keyoke lehnte sich gegen die kalte, feuchte Felswand und nahm den Helm ab. Er strich das verschwitzte graue Haar zurück und dachte, daß er sich in seinem ganzen Leben noch nie so müde gefühlt hatte.
    Mit der Erschöpfung war auch Bedauern verbunden: Bedauern darüber, daß er sich der Eitelkeit eines alten Mannes schuldig gemacht hatte. Er rügte sich, weil er nicht mehr Zeit darauf verwandt hatte, Lujan und die anderen Befehlshaber auszubilden. Er hätte darauf bestehen sollen, daß die Offiziere nicht in den Soldaten-Baracken mit ihren eigenen Truppen aßen, sondern mit ihm in der Halle der Bediensteten, zusammen mit Lady Mara, Nacoya oder Jican. Jede einzelne Gelegenheit, die er versäumt hatte, die jungen Soldaten noch besser auszubilden, erschien vor seinem geistigen Auge und quälte ihn.
    Jetzt war es zu spät, einen jüngeren Mann auf seinen Posten zu wünschen. Eine Woge weißglühender Schmerzen in seinem Bein fachte seine Wut erneut an. Er schalt sich einen Narren und verdrängte die Trauer. Er weigerte sich, am Ende als Mann zu sterben, der sich schwarzen Gedanken hingab. Dieser Kampf mußte zu Ende geführt werden, und düstere Gedanken kosteten ihn nur Kraft, die er besser auf dem Schlachtfeld einsetzen sollte.
    Keyoke stützte sich auf das

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