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Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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ständig zunehmende Nebeldecke etwas milderte. Die erschöpften Soldaten kehrten von ihrer Schicht bei den Barrikaden zurück, und steif humpelte Keyoke zu ihnen, um ihren Zustand zu begutachten. Seine Streitmacht war ziemlich geschrumpft. Von den einhundert Soldaten und fünfzig Dienern, die das Herrenhaus der Acoma verlassen hatten, waren nur noch weniger als vierzig Soldaten und zwanzig Diener auf den Beinen. Die anderen waren zum großen Teil tot, während ein Dutzend verwundeter Soldaten und eine ähnliche Anzahl an Dienern in einem behelfsmäßigen Lager versorgt wurden. Die unaufhörlich ziellos herabzischenden Pfeile der Minwanabi verursachten auch so noch genug Schaden, daß die Männer ihre Nervosität nicht ablegten. Niemand konnte sich hinlegen, wollte er nicht ein besseres Ziel für herabsausende Pfeile abgeben. Einige versuchten unter den Schilden zu schlafen, doch diese Methode führte eher zu Krämpfen als zu Entspannung. Die meisten Soldaten preßten sich einfach so eng wie möglich an die Felswände, das Kinn auf die angezogenen Knie gestützt.
    Die Nacht brach herein, doch der Kampf wurde im flackernden Schein feindlicher Fackeln weitergeführt. Der Nebel in der Schlucht glühte wie ein sich windendes, nebelumranktes Gespenst. Die Krieger der Acoma betrachteten das Licht unruhig; sie schärften ihre Waffen und versuchten sich mit Witzen Mut zu machen, doch ihre Gedanken blieben freudlos. Der Kampf würde kaum bis zum nächsten Morgen dauern, ganz sicher jedoch nicht bis zum Mittag. Das wußten sie so gut wie ihr Kommandeur, der trotzdem unermüdlich seine Runden machte, um sie zu ermutigen.
    Die Stunden vergingen, und immer mehr Männer starben. Die Sterne blieben hinter dem Nebel verborgen. Keyoke überquerte gerade die Lichtung, um sich zwei Männer anzusehen, die anscheinend von herabgeworfenen Felsstücken verletzt worden waren, da traf ihn etwas ins rechte Bein, gerade so, als hätte ihm ein Needra-Kalb einen Tritt versetzt. Er stolperte und konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten, als der Schmerz in seinem rechten Oberschenkel explodierte. Zwei Soldaten kamen ihm rasch zu Hilfe, doch der in seinem Bein steckende Pfeil hinderte ihn, auch nur einen weiteren Schritt zu tun. Die Krieger trugen ihn zu einem verhältnismäßig geschützten Teil der Schlucht und lehnten ihn sanft mit dem Rücken gegen die Felswand.
    Keyoke kämpfte gegen die drohende Schwärze vor seinen Augen. »Bei den Göttern, tut das weh.« Er riß sich zusammen und sah auf den Pfeilschaft, der in seinem Oberschenkel steckte. Es war einer dieser ziellosen Schüsse in die Schlucht gewesen, denn er war schräg von oben in das Bein gedrungen. Keyoke spürte, wie die Pfeilspitze gegen den Knochen schabte. »Ihr müßt ihn durchschieben und die Befiederung abschneiden«, befahl er. »Dann zieht ihn raus.«
    Die zwei Soldaten blickten sich ratlos an, und er mußte den Befehl wiederholen. Mit zusammengebissenen Zähnen forderte er sie auf, endlich den verfluchten Pfeil rauszuziehen.
    Wieder tauschten die Soldaten Blicke aus, über den staubigen Federbusch Keyokes hinweg. Keiner von ihnen wollte die Wahrheit aussprechen: daß nämlich bei dem Versuch, den Pfeil herauszuziehen, sehr leicht eine Arterie verletzt werden und er an der starken Blutung sterben konnte.
    Jetzt fluchte Keyoke ziemlich deutlich. Er befreite einen Arm aus dem Griff des einen Kriegers, packte mit einer erstaunlich ruhigen Hand den Pfeil und brach die Befiederung ab. »Stoßt ihn durch!« verlangte er wieder.
    Die Pfeilspitze steckte noch immer im Fleisch. Das Loch war blutig und schwoll rasch violett an.
    »Es wird eitern«, sagte der eine Krieger sanft. »Er sollte rausgeschnitten werden, und die Wunde sollte trocknen.«
    »Dazu ist keine Zeit«, sagte Keyoke. Seine Stimme war längst nicht so ruhig wie seine Hand. Die Qualen, die er litt, hatten wenig mit Schmerz zu tun, denn er hatte schon vor langer Zeit gelernt, ihn auszuhalten, wenn es nötig war. »Wenn der Pfeil nicht entfernt wird und die gottverdammte Spitze weiter gegen meinen Knochen schabt, werde ich sehr bald das Bewußtsein verlieren. Ganz sicher jedoch werde ich nicht mehr aufstehen und weiterhin das Kommando über die Truppe führen können.« Die Soldaten sagten nichts, doch ihr unausgesprochener Vorwurf hing greifbar in der Luft.
    Keyoke ließ seiner Wut freien Lauf: »Glaubt ihr wirklich, daß auch nur einer von uns so lange leben wird, bis ich an einer entzündeten Wunde gestorben bin?

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