Der Sklave von Midkemia
aufrichtete und einen Schritt nach vorn machte, kippte die Sänfte vornüber. Mara begann gefährlich zu rutschen; die Seidenbehänge und Kissen boten ihrem Fall keinen Widerstand. Nur Lujans schnelle Reflexe ersparten ihr eine unsanfte und entwürdigende Landung auf dem Boden. Ein Schlag seiner Hand zeigte dem Barbaren, daß er die Stange auf gleicher Höhe mit den anderen halten sollte. Dies konnte der riesige Mann jedoch nur erreichen, indem er Nacken und Schultern krümmte, was wiederum seinen Kopf in unmittelbare Nähe des Vorhangs seiner Herrin brachte.
»So geht das nicht«, rief Mara.
»Es wäre ein netter Triumph für Desio von den Minwanabi, wenn Ihr Euch durch die Unbeholfenheit eines Sklaven verletzen würdet«, sagte Lujan und fügte mit hoffnungsvollem Lächeln hinzu: »Vielleicht können wir diese Midkemier als Haussklaven kleiden und sie den Minwanabi als Geschenk präsentieren? Zumindest werden sie einige wertvolle Dinge zerstören, bevor Desios Erster Berater sie hängen läßt.«
Doch Mara war nicht nach Witzen zumute. Sie strich ihr Gewand glatt und nahm die durcheinandergeratenen Nadeln aus den Haaren. Die ganze Zeit betrachtete der Barbar seine Herrin mit einer Direktheit, die Mara verunsicherte.
Schließlich neigte er seinen Kopf etwas zur Seite und sprach sie in gebrochenem Tsurani mit einem entwaffnenden Grinsen an, während er weiterstolperte.
Mit einem wütenden Schrei brachte Lujan ihn zur Ruhe. »Hund! Sklave! Auf die Knie!« Mit einer ruckartigen Bewegung des Kopfes gab er seinen Soldaten ein Zeichen. Sofort eilte einer herbei und übernahm die Stange der Sänfte, während andere den Rothaarigen ergriffen und ihn mit Gewalt auf den Boden warfen. Starke Arme trommelten auf ihn ein, und dennoch versuchte er immer noch zu sprechen, bis eine mit Nägeln versehene Sandale das Gesicht des unverschämten Sklaven in den Staub drückte.
»Wie kannst du es wagen, die Lady der Acoma anzusprechen, Sklave!« rief Lujan.
»Was versucht er zu sagen?« fragte Mara eher neugierig als beleidigt.
Lujan schaute überrascht auf. »Spielt das eine Rolle? Er ist ein Barbar, und das bringt Euch keine Ehre, Mylady Allerdings, sein Vorschlag entbehrte nicht einer gewissen Klugheit.«
Mara hielt inne, ihre Hand war voller Haarnadeln aus Schildpatt. Sonnenlicht glitzerte auf den juwelenbesetzten Köpfen wie auch auf dem Muschelschmuck, der auf dem Kragen aufgenäht war. »Sagt es mir.«
Lujan strich sich mit seinem Handgelenk über die schweißbedeckte Stirn. »Der arme Teufel schlug vor, Eure anderen Sklaven gegen drei seiner Kameraden auszutauschen, um Eure Sänfte ruhiger tragen zu können, weil sie dann eher die gleiche Größe hätten.«
Mara lehnte sich zurück, sie hatte ihre Nadeln und das gelöste Haar für einen Augenblick vergessen. Nachdenklich runzelte sie die Stirn. »Das hat er also gesagt«, grübelte sie. Dann schaute sie auf den Mann, der mit dem Gesicht nach unten im Staub lag, während der Fuß eines Soldaten ihn bewegungslos hielt. »Laßt ihn aufstehen.«
»Lady?« meinte Lujan vorsichtig. Nur sein fragender Ton verriet, wie nah er daran war, sich einem ausdrücklichen Befehl seiner Herrin zu widersetzen.
»Laßt den Barbaren aufstehen«, sagte Mara knapp. »Ich halte seinen Vorschlag für vernünftig. Oder wollt Ihr wegen eines lahmen Trägers den ganzen Nachmittag weitermarschieren?«
Lujan zuckte mit den Achseln, als wollte er bestätigen, daß seine Herrin recht hatte. Tatsächlich konnte sie genauso störrisch sein wie die barbarischen Sklaven, und da er sie nicht weiter herausfordern wollte, rief der Truppenführer den Krieger zurück, der den Rothaarigen zu Boden drückte. Er gab knappe Anordnungen. Die restlichen Träger und der eine Krieger ließen die Sänfte mit Mara langsam auf den Boden, und drei der größeren Midkemier wurden ausgewählt, um ihre Plätze einzunehmen. Der Rothaarige ging zu ihnen; sein gutaussehendes Gesicht war jetzt blutig, da ein Stein auf dem Weg ihm eine klaffende Wunde auf der Wange zugefügt hatte. Er nahm seinen Platz um nichts unterwürfiger ein als zuvor, obwohl die rauhe Behandlung ihm deutliche Schmerzen bereitet haben mußte. Die Gruppe setzte sich wieder in Bewegung, doch es war nur wenig bequemer für Mara. Die Midkemier mochten es gut gemeint haben, aber sie waren unerfahren, was das Tragen einer Sänfte betraf. Sie paßten ihren Schritt nicht einander an, und so wurde es eine recht ruckelnde Reise. Mara lehnte sich zurück und
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