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Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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gehört. Seine Erscheinung trug deutliche Spuren seiner Genußsucht und bezeugte die Nachlässigkeit, die er seit kurzem seinem Körper gegenüber an den Tag legte. Seine Wangen und seine Nase waren gerötet, dunkle Ringe lagen unter den rotgeränderten Augen, die schmutzigen Haare fielen strähnig auf seine Schultern, und fettiger Schmutz klebte unter den Fingernägeln. Incomo dachte, daß der junge Lord sich seit dem rituellen Selbstmord seines Vaters wie ein Needra-Bulle verhielt, der seine juckenden Stellen in der Suhle mit einem Dutzend Needra-Kühen rieb. Eine seltsame Art, seine Trauer zu zeigen, aber keine unbekannte: Jene, die zum ersten Mal mit dem Tod konfrontiert wurden, legten oftmals ein lebensbejahendes Verhalten an den Tag. So hatte Desio sich tagelang mit seinen Mädchen in die Privatgemächer zurückgezogen und die Angelegenheiten des Hauses Minwanabi ignoriert.
    Einige der Mädchen waren bereits am zweiten Morgen zurückgekehrt – voller blauer Flecken zur Erinnerung an Desios leidenschaftliche Ausbrüche. Andere Mädchen nahmen ihre Stelle in schier unerschöpflicher Folge ein, bis der Lord der Minwanabi seine Trauerphase abgeschüttelt hatte. Als er daraus erwachte, wirkte er zehn Jahre älter als in jenem Augenblick, da er seinem Vater zugeschaut hatte, wie er sich in das Familienschwert gestürzt hatte.
    Jetzt tat Desio so, als würde er die weitverstreuten Besitztümer, die er geerbt hatte, verwalten, doch er begann bereits mittags zu trinken und hörte den ganzen Abend nicht damit auf. Obwohl Desio der Lord einer der Fünf Großen Familien des Kaiserreiches war, schien er nicht zu begreifen, daß mit seiner Macht auch eine große Verantwortung verbunden war. Er wurde von seinen ganz persönlichen Dämonen gejagt und versuchte, sich in weichen Armen vor ihnen zu verstecken oder sie in einem Meer aus Wein zu ertränken. Hätte Incomo den Mut besessen, er hätte seinem Herrn einen Heiler, einen Priester und schließlich einen Lehrer gesandt, der ihm eine Lektion über die Verantwortung erteilt hätte, die mit dem Mantel des Herrschers verbunden war. Doch ein einziger Blick in Desios Augen, auf den sich darin spiegelnden Wahnsinn kündeten von der Vergeblichkeit solcher Bemühungen. Desios Geist befand sich in den Klauen einer Wut, aus der ihn nur der Rote Gott befreien konnte.
    Incomo versuchte ein letztes Mal, Desios Aufmerksamkeit zurück auf das Geschäftliche zu lenken. »Mylord, wenn ich darauf hinweisen darf, wir verlieren kostbare Zeit, wenn unsere Schiffe leer an ihren Ankerplätzen in Jamar liegen. Wenn sie aufbrechen könnten, um nach –«
    »Genug!« Desios Faust krachte so heftig gegen eine Trennwand, daß die kostbar bemalte Seide zerriß und der Rahmen splitterte. Er trat auf die am Boden liegenden Trümmer, dann wirbelte er herum und prallte gegen den Sklaven, der ihm Luft zufächelte. Über alle Maßen wütend, schlug der Lord der Minwanabi auf den Mann ein, als wäre er ein Möbelstück. Der Sklave fiel auf die Knie, Blut lief aus der gebrochenen Nase und von der aufgeplatzten Lippe und rann über sein Gesicht, seine Brust und die zerstörte Trennwand. Obwohl er halb blind vor Schmerz und Tränen war, richtete er aus Angst um sein Leben seine ganze Kraft darauf, daß der Fächer nicht seinen Herrn streifte. Desio nahm nichts von dem heldenhaften Respekt seines Sklaven wahr. Er drehte sich um und wandte sich seinem Berater zu. »Ich kann mich nicht konzentrieren, solange sie da draußen ist!«
    Incomo brauchte nicht nachzufragen, um zu wissen, auf wen sein Herr sich bezog. Die Erfahrung lehrte ihn, daß er nichts tun konnte, als abwarten und einen weiteren Ausbruch erdulden. »Mylord«, meinte er besorgt, »die Sehnsucht nach Vergeltung wird nutzlos sein, wenn all Euer Reichtum durch Nachlässigkeit zu nichts zerschmolzen ist. Wenn Ihr Euch nicht diesen Entscheidungen widmen wollt, erlaubt zumindest Eurem Hadonra, die Angelegenheiten in die Hand zu nehmen.«
    Die Bitte hinterließ keinen Eindruck bei Desio. Er starrte in die Ferne und flüsterte mit einer rauhen Stimme, als würde das Aussprechen des Namens der Person Leben verleihen: »Mara von den Acoma muß sterben!«
    Dankbar für die Dunkelheit im Raum, die seine eigenen Ängste verbarg, stimmte Incomo zu: »Natürlich, Mylord. Aber dies ist nicht der richtige Zeitpunkt.«
    »Wann dann!« rief er so laut, daß Incomos Ohren schmerzten. Desio trat nach einem Kissen, dann senkte er seine Stimme zu einer normalen Lautstärke.

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