Der Sklave von Midkemia
oberste Lackschicht absplitterte.
Unangenehm berührt bahnte sich der Diener einen Weg durch Lackteilchen, um das gute Stück zu bergen. Kläglich wie ein geschlagener Hund kroch er zurück zu seinem Lord und hielt ihm den lädierten Helm entgegen.
Doch Desio war zu sehr damit beschäftigt, seinen Ersten Berater zu rügen, als daß er den Diener für den Schaden gescholten hätte. »Seit weniger als einer Stunde habt Ihr einen Bericht vom Schiff, und jeder Diener und Soldat erfährt die Nachricht vor mir.« Desio streckte seine schweißnasse Hand aus, während er mit der anderen die feuchten Haare aus dem Gesicht strich.
Incomo reichte ihm das Pergament, beeindruckt, daß die ehemals plumpen Finger des Jungen inzwischen hart und voller Schwielen waren. Der fette, maßlose Jugendliche, der sich mit Trinken und Frauen betäubt hatte, hatte sich zu einem selbstbewußten Herrscher entwickelt. Desio war längst noch kein idealer tsuranischer Krieger, doch immerhin wirkte er jetzt eher wie ein richtiger Soldat als wie die Karikatur von einem.
Desio las die ersten Zeilen mit zusammengekniffenen Augen, blätterte die mit Wüstenstaub befleckten Blätter durch und warf den Haufen dann angeekelt beiseite. »Tasaio ist äußerst gründlich dann, sein Versagen zuzugeben.« Seine Lippen wurden blaß vor Arger, und er sank kraftlos in die Kissen, die er bevorzugte, wenn er hofhielt. Ein Seufzer entfuhr ihm. »Und unsere Niederlage.« Incomo betrachtete das gerötete Gesicht seines Herrn und hoffte inständig, daß er nicht um Rat gefragt werden würde. Jahrelang hatten sie in einer Sackgasse festgesessen, und daß Mara den Lord der Xacatecas in Dustari mit einem solch triumphalen Ergebnis unterstützt hatte, war eine bittere Überraschung. Bis sie heute den Bericht erhalten hatten, war alles wie geplant vonstatten gegangen. Beinahe eine Jahreszeit lang hatten der Lord der Minwanabi und sein Erster Berater begierig auf die Nachricht vom endgültigen Sieg über die Acoma gewartet. Doch als Tasaios Falle dann zuschnappte, war Mara ihnen wieder entwischt. Schlimmer noch, durch ihren brillanten Gegenangriff mit einer Taktik, die im ganzen Kaiserreich noch niemals vorgekommen war, war der erste Vertrag mit den Wüstennomaden Tsubars zustande gekommen – mit jenen Männern, die seit Generationen für Unruhen an den Grenzen gesorgt hatten.
Desio hieb mit der Faust in seine Kissen. »Beim Atem Turakamus, wie konnte Tasaio seine Aufgabe so verpfuschen?« Er machte eine flüchtige Handbewegung zu dem Bericht auf dem Boden. »Unser Makler in Jamar erzählt, daß die vereinigten Armeen der Xacatecas und Acoma dort mit Fanfaren empfangen wurden! Er vermutet sogar, daß Mara eine Belobigung vom Kaiser erhalten wird! Sie hat ihren Verbündeten bekommen. Statt mit zwei einzelnen, geschwächten Feinden haben wir es jetzt mit mächtigen Familien zu tun, die kurz davor sind, sich uns gemeinsam entgegenzustellen!«
Incomo fuhr bei Desios Tirade zusammen und versuchte mit Milde die Atmosphäre zu besänftigen. »Wenn der Vertrag auch eine bemerkenswerte Errungenschaft darstellt, so ist Chipino von den Xacatecas sicherlich nicht der Mann, der sich auf bindende Allianzen einläßt – zumindest nicht ohne starke Gründe und Sicherheiten. Mara erfüllte nur ihre Pflicht dem Kaiserreich gegenüber, als sie seine Armee in der Wüste rettete. Ihr Sieg mag den Lord so sehr beeindruckt haben, daß er seine Position noch einmal überdacht hat, doch –«
»Wenn es ihn nicht beeindruckt hat, ist er ein Narr!« Desio fuhr wütend mit den Fingern über irgendeine juckende Stelle am Hals, dann ließ er seine Hand verwirrt sinken. »Wie macht diese Frau das nur? Das Glück muß in ihrem Bett schlafen.«
Incomo trat zum Tisch und stapelte die überall verteilten Blätter penibel übereinander. »Wir werden bald erfahren, wie sie …« Er wollte schon sagen: »uns besiegen konnte«, doch dann besann er sich eines Besseren und meinte: »… es wieder geschafft hat, der Vernichtung zu entkommen.« Er war gereizt von dem Bericht, der widerlich unordentlich wirkte, mit abgeknickten Ecken und modrigen Fetzen, als wäre er unter widrigen Umständen geschrieben worden, und ließ einen tiefen Seufzer hören. »Wir werden Zeit brauchen, um die ganze Wahrheit herauszufinden.«
Desio erwachte ruckartig aus seinen Grübeleien. »Mara kommt.«
»Natürlich.« Incomo verschränkte seine trockenen Hände über dem Gürtel. »Nach einer solch langen Abwesenheit von ihrem
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