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Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Erster Berater vollkommen still blieb. Dann seufzte er.
    »Nein, der alte Mann wird nicht einen jüngeren Sohn gegen seinen einzigen Enkel eintauschen. Jiro ist nicht dumm.«
    »Sicher nicht, Mylord.« Incomo machte einen Schritt zurück, als Desio aufstand und den Laden zum Flur an der Seite aufriß. »Schickt Wachen, um unseren Gast zum Hauptdock des Hauses zu geleiten.« Der Lord klatschte heftig in die Hände, verlangte nach seinen Leibdienern und offiziellen Roben und dann nach einem großen Tablett mit Erfrischungen für die große Halle.
    Incomo lauschte der Liste mit Vorbereitungen ohne Kommentar. Schon zu Beginn seiner Herrschaft hatte Desio entschieden, daß selbst geringere Unterhaltungen in der großen Halle stattfinden mußten. Das gewaltige Amphitheater mit dem riesigen, gewölbten Dach war prächtig genug, um die meisten Gäste nervös zu machen. Kein anderes Herrenhaus im Kaiserreich konnte sich mit dieser Konstruktion messen; einige hatten versucht es nachzuahmen, aber ihre Bemühungen waren daran gescheitert, daß die natürliche Lage fehlte – der Ring aus felsigen Hügeln und das Seeufer, das selbst im Herbst nicht sumpfig war. Es war eindeutig der üppigste Hof östlich der Heiligen Stadt, und Desio war davon überzeugt, daß die Minwanabi immer im Vorteil sein würden, wenn sie jemandem hier gegenüberstanden. Er schnaubte vor Selbstgewißheit. »Was könnte Jiro hierherführen?«
    »Um ehrlich zu sein, Mylord, ich vermute alles und nichts.« Incomo zählte Punkte an seinen Fingern ab. »Vielleicht ist der Lord der Anasati schwächlich geworden. Als sein Erbe könnte Halesko seinen jüngeren Bruder als Botschafter schicken, um Euch einen Vorschlag zu unterbreiten.«
    Bedienstete klopften und traten ein; sie brachten gefaltete Seidengewänder und Schärpen mit Troddeln, Sandalen, Juwelen und Nadeln. Sie verneigten sich, setzten ihre Last ab und halfen ihrem Herrn, aus der zerknitterten Tagesrobe zu schlüpfen. Als der Stoff auf dem Boden landete, war Incomo überrascht, daß Desios Geschmeidigkeit jetzt von schweren Muskeln überzogen wurde. Das jugendliche Fett von vor fünf Jahren war beinahe ganz verschwunden, zusammen mit einer eher nichtssagenden Haltung. Desio schlüpfte mit dem Arm in seine geflochtene orange-schwarze Robe. »Ich weiß nicht. Der alte Tecuma hält seinen Haushalt an einer sehr kurzen Leine, besonders seine beiden Söhne. Das letzte Mal, als ich Halesko bei den Spielen gesehen habe, wirkte er beinahe wie sein Vater. Doch Jiro ist ein Unbekannter.«
    Die Unterhaltung versiegte, als Leibdiener sich mit Kämmen an seinen Haaren zu schaffen machten und seine rosafarbenen Ohren mit Schmuck behängten. Als sie sich den Schuhen zuwandten und Desios einen Fuß wuschen und trockneten, nutzte Incomo den Augenblick und lenkte die Aufmerksamkeit seines Herrn auf etwas, das jeder gute Berater immer im Kopf behalten sollte, wenn es um eine wichtige Persönlichkeit im Kaiserreich ging.
    »Jiro ist uns ein Rätsel. Er ist intelligent, also sollte nichts von dem, was er sagt, Euch dazu verleiten, ihn für dumm zu halten.« Desio hielt den anderen Fuß hoch und runzelte die Stirn; er würde sich niemals durch einen so offensichtlichen Plan einfangen lassen. Doch obwohl er es haßte, als dumm dargestellt zu werden, hörte er Incomo aufmerksam zu, als dieser fortfuhr und Maras vergangenes Heiratsangebot einem der Anasati-Söhne gegenüber beschrieb. Alle Anwesenden hatten vermutet, sie würde Jiro wählen, doch statt dessen war Buntokapi, sein jüngerer Bruder, ihr Ehemann geworden.
    Desio grinste. »Aha, sie hat Jiro beleidigt und sich einen Feind gemacht.«
    Incomo schniefte. »Man könnte es sicherlich annehmen.«
    Ein Sklave hielt Desio einen juwelenbesetzten Schuh hin. Desio schlüpfte hinein und betrachtete dann sein Bild in einem der seltenen Metallspiegel. »Nun, was für ein Mann ist er?«
    »Er ist ruhig«, erklärte Incomo. »Jiro lebt sehr zurückgezogen und hat wenig Freunde. Er hat keine großen Laster: vielleicht das Wetten, doch niemals so ausufernd wie bei seinem verstorbenen Bruder, und er trinkt auch nicht wie Halesko. Ab und an eine Frau, doch niemals eine besondere. Es heißt, er sagt wenig und deutet viel an.«
    »Kryptisch, doch jedes Wort hat eine Bedeutung«, erklärte Desio.
    Beeindruckt, daß er seinen Herrn nicht mehr auf die Feinheiten hinweisen mußte, fuhr der Erste Berater fort. Jiro hatte nicht die militärische Erfahrung seines älteren Bruders, doch er

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