Der Sklave von Midkemia
verstärkt. Dieser Keyoke ist kein Dummkopf. Nachdem die Aufseher erst einmal bemerkt hatten, daß die Jungs abgehauen waren, veränderte er den Rhythmus der Patrouillen und verdoppelte die Wachen, die uns zur Arbeit brachten.« Patrick lutschte an dem Halm, fand ihn bitter und spuckte ihn wieder aus. »Es ist jetzt schwieriger zu entkommen, da die Wichte herausgefunden haben, was geschehen ist. Vorher sind sie noch nicht einmal auf die Idee gekommen, daß Sklaven vielleicht fliehen könnten.« Er kicherte in bitterer Ironie. »Merkwürdig. Ich lebe seit fünf Jahren hier und habe immer noch keine Ahnung, wie sie denken.«
Kevin zuckte mit den Schultern. »Ich verstehe sie jetzt besser.«
Patrick zischte: »Ja, das solltest du auch. Du bist der Gebildete von uns, Kevin, ein Edler und so weiter. Ich hätte die anderen Jungs inzwischen in die Berge mitnehmen sollen, doch ich hielt es für weiser, es dir zu überlassen.
Wir brauchen deine Führung. Denn wir werden nicht mehr als eine Chance erhalten, und –«
»Warte!« Kevin trat gegen einen Erdklumpen, der platschend im Wasser landete. »Wohin fliehen?«
»Wohin wohl, in die Berge.« Patrick sah seinen Kameraden scharf an, doch die Dunkelheit verbarg seinen Gesichtsausdruck. »Diese Grauen Krieger wollen nichts mit uns zu tun haben, aber sie werden ein bißchen handeln. Sie werden uns nicht bekämpfen. Daher denke ich, wir sollten auf den geeigneten Moment warten, dann abhauen und uns irgendwo im Hochland einen geeigneten Lagerplatz suchen.«
»Und was tun wir dann?« Verzweifelt schüttelte Kevin den Kopf. Obwohl Patrick kein Adliger war, waren sie Freunde; zuerst Jagdkameraden, später Soldaten. Wenn er auch ein loyaler Mann war und ein zuverlässiger Kämpfer, besaß Patrick doch wenig Vorstellungskraft. Während der Unternehmung in Dustari hatte Kevin genug mit den Soldaten zu tun gehabt, um zu wissen, daß einige von ihnen Graue Krieger gewesen waren. Ihr Leben, so hatten sie erzählt, war ein einziges Elend aus Armut und Hunger gewesen.
»Kevin, verdammt, wir würden frei sein!« beharrte Patrick, als wäre damit alles geklärt.
»Frei wozu?« Kevin puhlte noch einen Erdklumpen los. Er schleuderte den Brocken ins Wasser, und das harte Aufplatschen brachte die Insekten in der Nähe zum Verstummen. »Um den Patrouillen der Acoma einen Hinterhalt zu legen? Oder den Cho-ja? Um uns den Weg zurückzukämpfen zu diesem magischen Loch, wo immer es auch sein mag, durch das wir von unserer eigenen Welt hierhergekommen sind? Oder, was noch wahrscheinlicher ist: um an Fieber oder Unterernährung zu sterben?«
Patrick wurde wütend. »Wir sind hier nichts, Kevin! Wenn wir uns kaputtmachen durch die Arbeit, erhalten wir dafür irgendeinen Dank? Eine bessere Mahlzeit? Einen Ruhetag? Nein, wir werden genauso behandelt wie Tiere. Verflucht, Mann, heute war der erste Tag, seit du weg warst, an dem wir nicht vom Morgengrauen bis Sonnenuntergang arbeiten mußten. In den Bergen könnten wir zumindest unser eigenes Leben führen.«
Kevin zuckte resigniert mit den Achseln. »Ich weiß nicht recht. In den Grauen Türmen warst du ein hervorragender Jäger«, sagte er in Anspielung auf die Berge in der Nähe von Zûn. »Doch hier oben?« Er machte eine Handbewegung in das Dunkel. »Du fängst irgendeine sechsbeinige Kreatur, aber weißt du überhaupt, ob du sie essen kannst? Die Hälfte der verfluchten Dinge hier ist giftig. Es ist nicht wie mit dem Wild bei uns zu Hause.«
»Wir können es lernen!« blaffte Patrick. »Willst du etwa lieber arbeiten, bis du an Altersschwäche stirbst?« Ein Gedanke durchzuckte ihn. »Oder gibt es einen anderen Grund, alter Knabe? Vielleicht gefällt dir ja inzwischen die Art der Wichte, die Dinge zu sehen?«
Die Bemerkung traf Kevin überraschend, und er stand auf und wandte sich ab. »Nein, ich …« Er seufzte, verbarg seinen Schmerz und versuchte es von neuem. »Es ist anders für mich, Patrick. Sehr viel anders.«
»Du arbeitest nicht so hart wie wir, das ist das eine.« Nur die Insekten zirpten laut in der Stille. Dann erhob sich auch Patrick. »Das zumindest kann ich erkennen.«
Kevin fuhr gereizt herum. »Nein, ich glaube nicht, daß du das tust.« Er war sich bewußt, daß sie eine Art Wendepunkt erreicht hatten, und er rang nach Worten, um seinem Freund begreiflich zu machen, wie er begonnen hatte, Mara kennenzulernen, sie zu lieben. Hilflos hob er die Hände und ließ sie dann wieder sinken. Egal was er sagte, Patrick würde
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