Der Sklave von Midkemia
Instrumente waren aus bemaltem Fell, das, wie sich beim näheren Hinsehen herausstellte, über die umgedrehten Schalen riesiger Schildkröten gespannt war. Kevin erkannte den Dreifuß darunter, der aus einer echsenähnlichen, stachelbewehrten Kreatur gearbeitet war.
Ein Sklave zu sein hatte mitunter seine Vorteile – niemand schien überrascht, daß er so offen staunte. Wenn die Flure und Korridore Kevin zuvor beeindruckt hatten, so war die Ratshalle selbst überwältigend. Sie wurde von einer kreisförmigen Kuppel gekrönt; oben entlang verliefen Galerien mit polierten Holzbänken, dann folgten auf verschiedenen Ebenen auf Säulen errichtete Galerien, auf denen Stühle standen, die fast schon wie Thronsessel wirkten. Die Galerien erinnerten Kevin an die private Loge des Barons von Yabon auf dem Festtagsgelände bei den jährlichen Jahrmärkten der Stadt, nahe der Start-und Ziellinie der Pferderennen. Der gewöhnlichsten edlen Familie im Kaiserreich stand eine Loge zu, die so prunkvoll war wie die des Barons. Auf den unteren Ebenen befanden sich die größten Galerien, so nah wie möglich am Podest in der Mitte des Raumes, und viele lagen leicht zurückversetzt unter einem tiefen Baldachin, der mit Symbolen des Hauses bemalt oder bestickt war und sicherstellte, daß jene weiter hinten und an den Seiten die Unterredung nicht belauschen konnten. Gänge, beinahe Promenaden, trennten sie voneinander, so daß Boten unermüdlich auf Wunsch ihrer Herren hin und her eilten. Die gewaltige Größe des Raumes war eine Notwendigkeit; Kevin war überrascht von der Menge der Anwesenden. Die niedrigeren Ebenen wimmelten von Lords in voller tsuranischer Rüstung. Farben, Federbüsche und edelsteinbesetzter Kopfschmuck boten ein wildes Fest für die Augen.
Kevin schloß mit einiger Mühe den vor Staunen weit offenstehenden Mund. Dies war lediglich eine Versammlung des Clans Hadama!
Mara hatte versucht, ihm die Beziehungen innerhalb des Clans zu erklären, doch nach einem langen und enttäuschenden Vortrag hatte Kevin immer noch nur eine vage Vorstellung, was all diese Edlen miteinander verband. Seinem Verständnis nach waren die Ahnen all dieser Leute irgendwann einmal, in grauer, nebelhafter Vergangenheit, Cousins gewesen. Gebunden an Gebräuche und Sitten, die wie ein Knäuel aus Widersprüchen erschienen, hingen sie einem Beziehungskonzept an, das nach der Logik der Midkemier als überaltet bezeichnet worden wäre. In früheren Zeiten mochte es wohl einmal Bedeutung gehabt haben, war inzwischen jedoch hauptsächlich zeremonieller Art. Doch als Kevin zu dieser Schlußfolgerung gekommen war, hatte Mara darauf bestanden, daß die Loyalität des Clans kein bloßes Phantom sei. Bei einem entsprechenden Grund würden sich die einzelnen Familien verbinden und in blutigem Kampf sterben, um den schwer faßbaren Kodex ihrer Identität zu verteidigen. Es war genau die Intensität solcher Verbindungen, die das Große Spiel hervorgebracht hatte, denn wenn die Ehre des Clans einmal angerufen worden war, konnte kein ehrenhaftes Haus die Blutsbande ignorieren.
Als sie hinter der Eingangsplattform und den Trommlern waren, konnte Kevin einen Blick auf den gesamten Raum werfen. Angesichts der schieren Größe kam er sich wie ein Zwerg vor. Von einem Podest, das nur wenig höher war als die Sitzreihe auf der zentralen Ebene der Halle, forderte ein Mann in wehendem Gewand und mit einem gewaltigen Kopfschmuck aus grünen und gelben Federn mit einem Nicken Maras Träger auf, die Sänfte abzusetzen. Ihre Ehrengarde blieb zurück und bezog Position über und hinter den konzentrischen Kreisen aus Sitzen, die in die unterste Stufe der Galerien eingelassen waren. Mara schnippte leicht mit den Fingern, und Kevin half ihr aus der Sänfte. Der Midkemier stützte sie und führte sie zu der Stelle, auf die sie deutete: enge Stufen hinab auf ein grünbemaltes Vordach und einen Stuhl zu, in den Shatra-Vögel geschnitzt waren. Die Galerie war groß genug, daß Mara von allen ihren Vertrauten und Offizieren umgeben sein konnte, sollte sie sie benötigen. Kevin nahm das geisterhafte Echo der geflüsterten Unterhaltungen wahr, und in ordnungsgemäßer tsuranischer Ergebung richtete er den Blick auf den Boden. Er mußte die Form wahren, wie sehr sie ihn auch abstoßen mochte. Ganze fünftausend Menschen fanden auf den überhängenden Galerien Platz, und weitere zehntausend auf dem Boden, wenn es nötig war.
Als Kevin der Lady der Acoma auf ihren grünlackierten
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