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Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Stuhl half, bemerkte er, daß sich ihr Platz verhältnismäßig nah am Podest befand. Er wußte, daß es eine Frage des Ranges war, wann die einzelnen Herrschenden eintraten und wo ihre Plätze waren, und hatte bereits die verschiedenen Moden und die Qualität der Kleidung studiert. Der vom Podest am weitesten entfernte Lord war seinem Anblick nach ein armer Verwandter vom Land, denn sein Gewand war abgetragen und verblaßt.
    Doch der Mann auf dem Podest war ein Pfau in vollem Gefieder! Als Kevin sich neben der Lady in der für Sklaven typischen Art verbeugte, wagte er einen vorsichtigen Blick unter halbgeschlossenen Lidern hindurch.
    »Mylord der Chekowara«, grüßte Mara herzlich. »Geht es Euch gut?«
    Der Lord, an dessen Namen Kevin den Clanlord des Clans Hadama erkannte, nickte zur Erwiderung, auch wenn es ein Geheimnis blieb, wie er dies tun konnte, ohne unter dem Gewicht seiner Edelsteine und seines Federschmucks zusammenzubrechen; der Mann schien ein Geck zu sein, doch sein Gesicht war breit und männlich und beinahe so dunkelhäutig wie das eines Eingeborenen von Groß-Kesh, dem südlichen Kaiserreich auf Midkemia. Kevin richtete sich wieder auf. »Wenn ihr beide verwandt seid, muß das viele Generationen zurückliegen«, flüsterte er.
    Mara warf ihm einen Blick zu, der halb irritiert, halb amüsiert war. Der Lord der Chekowara lächelte und entblößte eine Reihe elfenbeinfarbener Zähne. »Es geht mir sehr gut, Lady Mara. Wir heißen unsere erhabenste Herrscherin bei unserer Versammlung willkommen und hoffen, daß es auch Euch gutgeht.«
    Mara antwortete mit der entsprechenden Versicherung, die das Ritual vorsah, dann nickte sie kühl den anderen Lords um sie herum zu. Als Kevin die Position eines Sklaven hinter dem Stuhl seiner Lady eingenommen hatte, durchforschte er die Gesichter nach Zeichen von Mißstimmung; doch selbst wenn einer der anwesenden Edlen über Maras rechtzeitige Ankunft enttäuscht war, so zeigte sich nichts als tsuranische Gelassenheit. Nahezu siebzig Familien hatten ihre Abgesandten zu der Versammlung geschickt, und eine oder mehrere konnten verantwortlich für Maras fehlgeleitete Einladung sein. Immer noch verblüfft über die Größe Tsuranuannis, erinnerte Kevin sich daran, daß die Hadama nur ein kleinerer Clan im Kaiserreich waren, wieviel Ehre die Acoma auch gewonnen haben mochten. Wie viele mächtige Häuser mußte dann erst ein großer Clan zählen? Nach Kevins grober Schätzung umfaßte dieses kleine Treffen mit all den Lords, Beratern, Bediensteten und Sklaven etwa fünfhundert Personen, und eine ähnliche Anzahl von Soldaten wartete draußen in den Gängen. Wenn sich die Mächtigen des Kaiserreiches im Rat versammelten, mußte der Raum bis zur Grenze seiner Kapazität gefüllt sein.
    Mara ließ sich nicht einschüchtern. »Ich bin sehr erfreut darüber, mit unseren Cousins an diesem Rat teilzunehmen, der ersten Zusammenkunft unseres Clans, seit ich den Mantel der Acoma übernahm.«
    Der Lord der Chekowara lächelte breit. »Ihr habt dem Haus Acoma viel Ruhm und Ehre seit dem vorzeitigen Tod Eures Vaters gebracht, Lady Mara. Ihr bringt Stolz in unsere Herzen.«
    Bei diesen Worten stampften viele Lords mit den Füßen auf den Boden, um mit dieser Art von Applaus ihre Zustimmung zu äußern. Andere entboten ihre Glückwünsche und riefen: »Ja, es stimmt. Viel Ehre!« und »Großen Erfolg!«
    Kevin lehnte sich vor, um Mara das Tuch – leichte Seide mit dem eingestickten Symbol ihres Hauses – von den Schultern zu nehmen. »Dieser Bursche ist ein Schlangenölhändler«, flüsterte er.
    Mara runzelte unter ihrer offiziellen Maske leicht die Stirn und wies ihn zischend zurecht: »Ich weiß zwar nicht, was Schlangenöl ist, doch es riecht nach einer Beleidigung. Jetzt geh und stell dich zu Lujans Wachen, bis ich dich benötige.«
    Kevin faltete das Tuch auf seinem Arm zusammen und ging über die Treppe zurück. Von seinem Platz bei der Ehrengarde der Acoma beobachtete er verstohlen die weiteren Vorgänge. Der Lord der Chekowara eröffnete die Versammlung mit einer Ankündigung, die nach gesellschaftlicher Plauderei klang. Es war eine Liste von bevorstehenden Hochzeiten, Verlobungen, Geburten und vielen Lobreden. Wenige der Verstorbenen waren aus Altersgründen oder wegen irgendwelcher Gebrechlichkeiten dahingeschieden; sehr häufig erklang der Spruch »ehrenvoll im Kampf gestorben«. Kevin war erstaunt über die gute Akustik in der Halle – wenn die Sprecher nicht bewußt

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