Der Sklave von Midkemia
Häuser untergebracht und wiederum deren Versuche vereitelt, im Haushalt der Minwanabi welche einzusetzen. Ganz offensichtlich mußte er irgendwie einen übersehen haben. Der Spion der Acoma konnte ein Diener sein, ein Makler der Familie, ein Krieger mit dem Federbusch eines Offiziers, selbst ein Sklave. Incomo war jetzt ganz versunken in die Frage, wie er den Schuldigen ausfindig machen konnte, so daß er die Zeremonie nur noch mit Ungeduld verfolgte. Das Protokoll verlangte jedoch seine Anwesenheit, bis die Formalitäten vorüber waren.
Der letzte Lord präsentierte sich, und danach erging sich Desio in einer schier endlosen Dankesrede. Incomo zappelte vor Unruhe beinahe hin und her. Endlich nahmen die Priester Turakamus das verhaßte Pfeifenspiel wieder auf und tanzten erneut nach einem bestimmten Ritus. Schließlich begann der Auszug, und Desios Ehrengarde marschierte in gemäßigtem Tempo aus den Portalen der großen Halle. Einen halben Schritt schräg hinter Desio ging Incomo und studierte die Gesichter der älteren Mitglieder des Haushalts.
Mit seinem schnellen Verstand schränkte er rasch die Möglichkeiten ein, schloß Blutsverwandte sowie jene, die seit früher Kindheit in ihren Diensten standen, aus. Doch selbst dann blieben noch gewaltige Möglichkeiten für feindliche Spione. In den letzten drei Jahren waren so viele Bedienstete neu eingestellt worden, daß Incomo sich einer entmutigenden Suche gegenüberfand. Sie konnten unmöglich alle neuen Haushaltsmitglieder auf einmal entlassen, denn das würde einem deutlichen Eingeständnis von Schwäche gleichkommen. Sie konnten auch keine Foltermethoden anwenden, um den Spion ausfindig zu machen, denn möglicherweise würde die betreffende Person dadurch gewarnt werden und der Abtrünnige oder die Überläuferin entwischen. Nein, es war besser, vorsichtig vorzugehen.
Die Prozession schritt durch den überdachten Korridor. Draußen verschwand gerade die späte Nachmittagssonne hinter den Bäumen. Lange Schatten fielen über die Gruppe, als die Ehrengarde und die Gäste in angemessenem Tempo zu dem Platz marschierten, der für den nächsten Teil der Zeremonie vorgesehen war. Bänke waren im Kreis um ein natürliches Amphitheater aufgestellt worden, das durch eine Bodenfalte in den Hügeln entstanden war. Die Gäste nahmen schweigend Platz und betrachteten den freien Platz in der Mitte vor ihnen. Vier große Löcher waren dort gegraben worden, zwei davon flankierten die Hauptstraße. Eine Gruppe von Soldaten und Arbeitern wartete in geordneter Aufstellung neben einem gewaltigen, neuerrichteten hölzernen Gestell, das mit Flaschenzügen und Seilen versehen war.
Incomo nahm seinen Platz auf einer der vorderen Bänke ein und zwang sich dazu, sich auf die Vorgänge zu konzentrieren. Im Gegensatz zu Desios Amtsübernahme war dies mehr als lediglich ein offizieller Teil. Wenn man ein Gebetstor errichtete, rief man die Gegenwart eines Gottes oder einer Göttin herbei und äußerte eine Bitte; wer jedoch ein Monument für Turakamu, den Roten Gott, errichtete, riskierte die vollständige Zerstörung, falls der die Ereignisse mit Mißfallen betrachtete.
Der Priester Turakamus und die Akolythen begannen um die vier bemalten Stämme herumzutanzen, die später in die Löcher hinabgelassen werden sollten. Sie wirbelten mit nahezu wahnsinniger Energie umher, begleitet von fürchterlichen Schreien und schmetternden Tönen aus der heiligen Knochenflöte. Die nackten Flanken des Oberpriesters schwollen vor Anstrengung an, und Schweiß hinterließ kleine Flecken auf der roten und schwarzen Farbe, mit der er seinen Körper für die Zeremonie eingerieben hatte. Das Auf-und Abhüpfen seiner schlaffen Genitalien amüsierte Incomo. Der Erste Berater schalt sich für seine Pietätlosigkeit. Um nicht mit Lächeln das Mißfallen des Roten Gottes auf sich zu ziehen, wandte er seinen Blick aus Respekt vor der heiligen Darbietung leicht ab.
Zwei Gruppen von Arbeitern warteten schweigend ganz in der Nähe. Bei ihnen standen Diener mit ihren Familien; sie wirkten leicht fehl am Platz und schienen sich auf merkwürdige Weise unbehaglich zu fühlen. Ein Mädchen von etwa sieben Jahren hing weinend am Arm der Mutter. Incomo fragte sich, ob die Darstellung der Priester ihr Angst einjagte. Im nächsten Augenblick beendete der Priester seine Drehung und kam in einer reglosen Hocke vor dem Vater des kleines Mädchens zum Stillstand. Die Akolythen kreischten gemeinsam. Sie sprangen vor, faßten
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