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Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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um die Tropfen in der Schüssel zu fangen. Wie eine Litanei der Verdammten erhoben sich wieder die schrillen Pfiffe des Oberpriesters. Der zweite Pfahl wurde aufgerichtet. Das Obsidianmesser zuckte noch einmal vor und öffnete eine weitere Ader. Jetzt begann der Bauer zu wimmern. Er spürte sein Leben schwinden, doch das Ende kam nicht schnell genug, um seine Furcht zu ersticken. Er stolperte gegen die Priester, als sie ihn emporhoben und mit dem Kopf nach unten in das Loch hinabließen. Der Stamm wurde herumgeschwungen. Die Flöte ertönte erneut, den Gott um sein Wohlwollen anflehend. Der Oberpriester gab das Zeichen; er wollte die Zeremonie jetzt rasch zu Ende führen, denn wenn das Geschenk akzeptiert werden sollte, durfte das Opfer nicht das Bewußtsein verlieren und vor der Zeit sterben. Doch durch die Hast mangelte es an Genauigkeit bei der Durchführung des Rituals. Als die Seile durchtrennt wurden, zögerte ein Akolyth zu lange, und der gewaltige Stamm geriet beim Sturz nach unten in Schräglage. Er krachte auf den Rand des Loches und ließ Erde und Gesteinsbrocken auf das Opfer hinabregnen, das vor Schreck aufschrie. Dann rutschte der Stamm an einer Seite der Mauer nach unten und zermalmte mit seinem Gewicht die Beine und den Unterleib des Mannes. Das Opfer schrie erneut unkontrolliert auf, diesmal vor Schmerzen. Die Zeremonie versank in einem heillosen Durcheinander.
    Umsonst rief Desio nach Arbeitern, die den schräg stehenden Pfosten gerade aufrichten sollten. Der Lord wirkte blaß mit all seinem Schmuck und den feinen Kleidern, als er sich mit dem Gesicht nach unten auf die blutgetränkte Erde warf und den Roten Gott um Nachsicht bat. Der Priester kam herbei; seine Pfeife schwieg jetzt. Er blieb vor der wartenden Menge stehen und klapperte mit den Perlen und Knochen, während er mit feierlichem Ernst verkündete, daß sein göttlicher Meister verstimmt sei. Und während noch das Geschrei und Gewimmer des verstümmelten Opfers die Luft erfüllte, wollte er vom Lord der Minwanabi wissen, mit welchem Versprechen er das Wohlwollen des Roten Gottes zurückgewinnen wolle.
    Hinter dem Lord und dem Priester zerrten Sklaven an den Seilen und stellten den Pfosten des Gebetstores langsam wieder aufrecht hin. Die Schreie des Bauern nahmen eine andere Tonlage an, doch sie erstarben nicht. Arbeiter hasteten mit Körben voller Erde herbei und leerten sie über dem Loch aus, und die Schreie erstickten immer mehr; niemand wagte, die Qual des Bauern direkter zu beenden. Sein Leben war dem Gott gewidmet, und jede Art von Einmischung würde einen Fluch heraufbeschwören.
    Schwitzend und mit staubbedecktem und blutverschmiertem Gesicht setzte Desio sich auf. »Mächtiger Turakamu«, begann er, »ich verspreche dir das Leben meiner Feinde, vom Blut der höchsten Edlen bis zu dem der niedrigsten Mitglieder des Hauses. Dies verspreche ich dir, wenn du deinen Zorn zurückhältst und den Minwanabi den Sieg gewährst!« Dann wandte er sich an den Priester: »Wenn es dem Mächtigen gefällt, meinen unterwürfigen Wunsch zu erfüllen, verspreche ich, ein zweites Gebetstor zu errichten. Seine Pfosten sollen mit dem Leben der Lady der Acoma und ihres Erstgeborenen und Erben geweiht werden. Der Pfad unter dem Tor soll mit dem zerschmetterten Natami der Acoma gepflastert und von den Füßen Eurer untertänigsten Diener poliert werden. Dies ist mein Geschenk, den Ruhm des Roten Gottes zu mehren, wenn er Gnade walten läßt für die Verstöße, die an diesem Tag geschehen sind.«
    Desio schwieg. Der Priester baute sich einen Augenblick vor ihm auf und bewegte sich nicht. Dann stimmte er mit einem scharfen Nicken seines Kopfes zu. »Schwört«, donnerte er und streckte die Knochenpfeife aus, damit Desio das Versprechen vor dem Roten Gott beeidete.
    Desio griff nach der Pfeife; er war überzeugt, daß er unwiderruflich gebunden war, hatte seine Hand erst einmal den Knochen umfaßt. Er zögerte, und ein Zischen des Priesters warnte ihn, daß er nahe davor war, den Roten Gott zu erzürnen. Mit fieberhafter Eile griff er nach dem Gegenstand. »Ich, Desio, Lord der Minwanabi, schwöre.«
    »Auf das Blut Eures Hauses«, befahl der Priester.
    Die Zuschauer hielten vor Schreck die Luft an, denn der Priester hatte deutlich gemacht, welchen Preis der Rote Gott für ein mögliches Versagen forderte. Sollte er versagen, hatte Desio die gleiche Zerstörung für sein eigenes Haus zu erwarten, von ihm selbst bis hinab zu seinem entferntesten Verwandten

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