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Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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müde, doch sie blieb wachsam genug, um den Mann, den sie zu sich befohlen hatte, mit prüfendem Blick zu studieren. Ordentlich gepflegt wirkte er viel jünger, vielleicht nur fünf Jahre älter als sie. Doch im Gegensatz zu ihr, der die frühen Kämpfe gegen große Feinde eine gewisse Ernsthaftigkeit in ihrem Wesen verliehen hatten, fehlten auf der Stirn des Barbaren die Falten, die bei Herrschern oftmals von dem Druck der ständigen Verantwortung kündeten. Das tiefe Gefühl für Unabhängigkeit war ihm mehr zu eigen als gekünstelte Haltung. Er lachte schnell und besaß einen verschmitzten Sinn für das Lächerliche, der Mara gleichzeitig faszinierte und ärgerte.
    Sie beschränkte das Gespräch auf harmlose Themen, und sie sprachen über Bräuche bei Festen, über Musik, die Herstellung von Juwelen, Kochen, schließlich über Tätigkeiten, die auf Kelewan eher selten waren, wie Metallarbeit und das Bearbeiten von Fellen. Mehr als einmal spürte sie die Blicke des Barbaren auf sich ruhen, wenn er glaubte, sie würde es nicht merken. Er wartete darauf, die wahre Absicht hinter ihrem Interesse zu erfahren; allein, daß ihn das kümmerte, schien Mara merkwürdig. Für einen Sklaven war nichts zu gewinnen, wenn er seinen Verstand mit dem seiner Besitzer maß – es gab keinen Handel zwischen den beiden Gruppen. Doch dieser Barbar versuchte ganz offensichtlich, Maras Absichten zu erspüren.
    Mara ordnete ihre Gedanken: Dieser Sklave aus der anderen Welt hatte wiederholt gezeigt, daß ihm die tsuranischen Sitten und Gebräuche fremd, wenn nicht gar unverständlich waren. Und dennoch war es gerade dieser andere Blick, der auch ihr gestatten würde, ihre eigene Kultur mit neuen Augen zu sehen – ein kostbares Instrument, wenn sie es nur zu nutzen verstand.
    Sie mußte lernen, diesen Mann – diesen Sklaven, korrigierte sie sich – so einzuschätzen, als wäre er ihr gefährlichster Gegner im Spiel des Rates. Die Unterhaltungen über sein Volk waren notwendig, um die Spreu vom Weizen zu trennen und nützliche Informationen herauszufiltern. So, wie es war, wußte sie jedoch kaum zu sagen, wann Kevin die Wahrheit sprach und wann nicht. Erst fünf Minuten zuvor hatte er hartnäckig darauf bestanden, daß sein Dorf, seine Stadt oder was immer dieser Ort namens Zûn auch sein mochte, einst von einem Drachen heimgesucht worden sei. Verzweifelt hatte Mara aufgehört, mit ihm zu streiten, obwohl doch jedes Kind wußte, daß Drachen mythische Geschöpfe waren, ohne jede Entsprechung in der Wirklichkeit.
    Sie sah, daß er müde zu werden begann, und ließ Fruchtsäfte kommen. Er trank gierig davon. Als er mit einem tiefen Seufzer seine Zufriedenheit zum Ausdruck brachte, wechselte sie das Thema und ließ ihn über Brettspiele sprechen. Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit lauschte sie, ohne eigene Bemerkungen beizusteuern.
    »Habt Ihr jemals ein Pferd gesehen?« fragte der Sklave unerwartet in der Pause, als Dienerinnen hereinkamen, um weitere Lampen anzuzünden. »Von all den Dingen, die ich zu Hause hatte, vermisse ich Pferde am meisten.«
    Jenseits der Läden war inzwischen endgültig die Nacht hereingebrochen, und der Mond erhob sein kupfergoldenes Antlitz über die Needra-Weiden. Kevin atmete tief ein. Er wickelte die Fransen der Kissen um seine Finger, und ein wehmütiger Glanz trat in seine Augen. »Ich besaß eine Stute, Lady, die ich bereits als Fohlen großgezogen hatte. Ihr Fell hatte die Farbe des Feuers, und die Mähne war so schwarz wie Euer Haar.« Ganz seinen Erinnerungen hingegeben, beugte er sich nach vorn. »Sie war leichtfüßig, sowohl beim Sprinten als auch bei langen Ritten, und sie hatte einen guten Charakter. Auf dem Feld war sie eine richtige Hexe, sie hatte eine Art zu treten, die sogar einen Mann in einer Rüstung umstoßen konnte. Sie hat mehr Schwerter von meinem Rücken ferngehalten als ein Kamerad.« Plötzlich schaute er auf und hielt inne.
    Mara, die noch zuvor mit entspanntem Interesse zugehört hatte, saß jetzt steif auf ihren Kissen. Für tsuranische Krieger waren Pferde bei weitem keine bewundernswerten Tiere und Schönheiten, sondern Schrecken verbreitende Geschöpfe. Unter jener fremden Sonne, die der Sklave die seiner Heimat nannte, waren Maras Vater und Bruder gestorben, ihr Blut war in fremdem Boden versickert, sie selbst unter Pferden zermalmt, die von Kevins Landsmännern geritten worden waren. Vielleicht war derselbe Kevin von Zûn der Krieger gewesen, der den Speer geschwungen und

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