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Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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wieder zu mir kommen.«
    Kevin verabschiedete sich mit einer spöttischen Verbeugung, der ganz und gar die angemessene Ehrerbietung eines Sklaven fehlte. Dennoch mußte sie seine aufrechte Haltung und den selbstsicheren Gang bewundern, als er den Flur entlangschritt. Nachdem sich die Tür hinter ihrem Arbeitszimmer geschlossen hatte, kehrte Mara zu ihren Kissen zurück und kämpfte gegen das Chaos in ihrem Innern. Unerwartete Gefühle erschütterten sie, und sie schloß die Augen und zwang sich, langsam und tief durch die Nase ein-und durch den Mund auszuatmen. Sie rief ein Bild aus ihrem Meditationskreis herbei, ein Ritual, das sie zum ersten Mal während ihres Dienstes im Tempel angewandt hatte. Sie konzentrierte sich auf das Mandala und vertrieb jede Erinnerung an den kräftigen Barbaren, der sie in seiner Gewalt gehabt hatte. Furcht und Wut verblaßten langsam, zusammen mit all den anderen merkwürdigen Gefühlen. Langsam entspannte sich ihr Körper, und Mara öffnete wieder die Augen.
    Wie immer war sie erfrischt durch diese Übung und dachte über die Geschehnisse des Abends nach. Wenn sie alles verarbeitet hatte, konnte ihr dieser seltsame Mann vielleicht doch noch nützen. Dann zuckte ihr ein anderer ärgerlicher Gedanke durch den Kopf. Mann! Dieser Sklave! Wieder mußte sie die Übung anwenden, um sich zu beruhigen, doch ein merkwürdiges und unsicheres Gefühl blieb in ihrer Magengrube zurück. Diese Nacht würde ihr sicherlich keine Ruhe bescheren. Warum nur konnte sie keinen inneren Frieden finden? Abgesehen von ihrem verletzten Stolz hatte sie keinen Schaden davongetragen, und bereits früh im Leben hatte sie gelernt, daß Stolz ein Mittel war, um Feinde zu beherrschen. Vielleicht, dachte sie, habe ja auch ich einen Stolz, der mir bisher unbekannt war.
    Dann kicherte sie plötzlich. Ihr könnt mich töten, aber Ihr könnt mich nicht verschlingen, hatte der Barbar gesagt. Welch ein merkwürdiger Ausspruch, aber einer, der eine Menge enthüllte. Maras Lachen wurde jetzt immer stärker, und sie dachte: Und ich werde dich doch verschlingen, Kevin von Zûn. Ich werde deine freie Seele und dein freies Herz nehmen und an mich binden, wie noch niemals dein Körper an etwas gebunden war. Dann wurde aus dem Lachen ein unterdrücktes Schluchzen, und Tränen rannen ihre Wangen hinab. Die Schmach und die Erniedrigung überwältigten sie so sehr, daß sie von Krämpfen geschüttelt wurde. Mit dem Schmerz stiegen auch andere, ebenfalls verstörende Gefühle in ihr auf, und Mara schlang die Arme um sich, als wollte sie ihren Körper festhalten, als könnte sie ihn so zur Ruhe zwingen. Nur mühsam erlangte sie die Beherrschung wieder, und das auch nur mit Hilfe der Meditationsübung.
    Als sie schließlich ihre Fassung wiedergewonnen hatte, atmete sie tief aus. Niemals hatte sie die Übung dreimal hintereinander machen müssen. »Verflucht sei dieser Mann!« murmelte sie undeutlich, bevor sie nach Dienerinnen rief, um sich ein Bad zubereiten zu lassen. Sie stand auf und fügte hinzu: »Und verflucht sei sein verblendeter Stolz!« Als sie die Geräusche der arbeitenden Dienerinnen hörte, ging sie noch einen Schritt weiter: »Verflucht sei jeder verblendete Stolz!«

    Mara studierte den Midkemier eingehend; wieder färbte der Sonnenuntergang das Licht rötlich. Es war furchtbar heiß in ihrem Arbeitszimmer, obwohl durch die zum Garten hin geöffneten Läden eine schwache Abendbrise hereinwehte. Kevin war entspannter als an den Tagen zuvor. Seine Finger spielten zwar immer noch mit den Fransen der Kissen; eine Gewohnheit, die kein Tsurani sich jemals erlaubt hätte. Doch Mara hielt es für eine unbewußte Tat, die nichts weiter zu bedeuten hatte. Sie hatte ihn am Leben gelassen, und ganz offensichtlich drang jetzt endlich die Bedeutung dieser Tatsache in sein Bewußtsein. Er erwiderte Maras eindringlichen Blick mit gleicher Intensität.
    Dieser seltsame und in einer befremdlichen Weise gutaussehende Sklave zwang sie, langgehegte Überzeugungen neu zu überdenken und feste »Wahrheiten« beiseite zu schieben. Statt die Ruhe der Nacht und auch eines Teils des nächsten Tages zu genießen, hatte Mara über ihre Empfindungen, Gefühle und Gedanken gegrübelt. Zweimal war sie in so gereizte Stimmung geraten, daß sie versucht gewesen war, den Mann von ihren Soldaten schlagen oder gar töten zu lassen. Doch dann hatte sie erkannt, daß der Impuls ihrem persönlichen Groll entsprang, und sich entschieden, nicht den Boten für die

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