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Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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ihre geliebte Familie getötet hatte. Tief aus ihrem Innern drang, unverstellt wegen der Müdigkeit des Tages, eine Trauer, die Mara seit Jahren nicht mehr empfunden hatte. Und mit der schmerzvollen Erinnerung kehrten auch die alten Ängste zurück.
    »Du wirst nicht weiter über Pferde sprechen«, befahl sie in so verändertem Ton, daß die Zofe abrupt innehielt und erst nach einer kurzen Pause vorsichtig die langen, schimmernden Haare weiterkämmte.
    Auch Kevin hatte aufgehört, an den Fransen zu zupfen; er erwartete, etwas wie Schmerz oder Qual in ihrem Blick zu erkennen, doch die Lady zeigte keinerlei Gefühlsregung. Das Gesicht blieb ausdruckslos im Schimmer der Lampe, die Augen waren kalt und dunkel.
    Er wollte seinen Eindruck schon als Phantasterei beiseite schieben, als er einer spontanen Eingebung folgte und sie näher betrachtete. Mit einem Blick, der nicht im mindesten spöttisch war, sagte er: »Etwas, das ich gesagt habe, jagt Euch Furcht ein.«
    Wieder versteifte sich Mara. Ihre Augen blitzten. Die Acoma fürchten gar nichts, dachte sie und hätte es beinahe auch gesagt. Sie mußte ihre Ehre nicht vor einem Sklaven verteidigen! Beschämt, daß sie sich beinahe vergessen hätte, bedeutete sie ihrer Zofe mit einer kräftigen Kopfbewegung, das Zimmer zu verlassen.
    Für tsuranische Augen enthielt diese Geste eine Warnung, die so deutlich war wie ein lauter Ausruf. Die Dienerin kniete daher nieder und berührte den Boden mit der Stirn, dann ging sie mit beinahe unziemlicher Hast hinaus. Der Barbar bemerkte jedoch nichts davon. Er wiederholte seine Frage sanft, fast als wäre sie ein Kind, das nicht verstanden hatte.
    Allein im Lampenlicht und überheblich in ihrem Groll, durchbohrte ihr dunkler Blick den Barbaren mit einer Kraft, als wollte sie ihn versengen.
    Er hielt ihre Wut irrtümlich für Verachtung. Auch seine Nerven waren arg strapaziert, und so wuchs sein Zorn ebenfalls. Er stand auf. »Lady, ich habe unser Geplauder genossen. Es hat mir die Möglichkeit gegeben, Eure Sprache zu lernen und der harten Arbeit unter einer brutalen Sonne zu entkommen. Doch seit ich gestern zu Euch kam, habt Ihr scheinbar vergessen, daß sich unsere beiden Völker im Krieg befinden. Ich mag zwar Euer Gefangener sein, doch ich bin noch immer Euer Feind. Da ich Euch nicht ahnungslos Vorteile verschaffen will, werde ich nicht mehr von meiner Welt sprechen. Ich bitte Euch um die Erlaubnis, mich zurückziehen zu dürfen.«
    Obwohl der Barbar sich über ihr auftürmte, änderte sich Maras Haltung nicht. »Nein, du darfst nicht gehen.« Wie kam er dazu, sich wie ein Gast zu benehmen und darum zu bitten, gehen zu dürfen? Sie hielt ihre Verärgerung zurück und sprach mit ruhiger Stimme: »Du bist kein ›Gefangener‹. Du bist mein Eigentum.«
    Kevin studierte Maras Gesicht. »Nein.« Ein Grinsen erhellte seine Miene und erhielt durch die Mischung mit seiner Wut etwas Humorloses und Böses. »Euer Gefangener. Nichts anderes. Niemals etwas anderes.«
    »Setz dich!« befahl Mara.
    »Was ist, wenn ich es nicht tue? Was ist, wenn ich statt dessen das hier tue?« Er bewegte sich mit kampferprobter Geschwindigkeit. Mara nahm nicht mehr als eine schnelle Bewegung im Lampenlicht wahr. Sie hätte Krieger zu ihrer Verteidigung herbeirufen können, doch das Erstaunen darüber, daß ein Sklave es wagte, die Hand gegen sie zu erheben, ließ sie zögern. Dann war die Möglichkeit dafür vorüber. Seine Hände – rauh und voller Schwielen vom Schwertgriff – schlossen sich um ihren Hals und preßten den Jadeschmuck gegen die zarte Haut. Kevin hatte große Handflächen, und sie waren eiskalt und voller Schweiß. Zu spät erkannte Mara, daß sein Geplauder eine Fassade gewesen war, um seine Verzweiflung zu verbergen.
    Mara biß die Zähne gegen den Schmerz zusammen, sie wand sich unter seinem Griff und versuchte in seine Lenden zu treten.
    Seine Augen blitzten. Er schüttelte sie wie eine Puppe hin und her, dann noch einmal, als sie ihre Fingernägel in seine Handgelenke grub. Sein Atem strich rauh ihre Kehle entlang. Er hielt sie gerade fest genug, daß sie nicht schreien konnte, aber nicht so brutal, daß sie nicht mehr hätte atmen können. Er beugte sich hinab, bis seine Augen nah vor ihren waren; sie waren blau und hart und hatten einen bösen Glanz.
    »Ich sehe, jetzt endlich habt Ihr Angst«, bemerkte er. Sie war der Bewußtlosigkeit nahe und konnte nicht sprechen. Der Schmerz trieb ihr Tränen in die weit aufgerissenen, dunklen

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