Der Sklave von Midkemia
unsere Aufmerksamkeit auf Lady Mara richten.«
Desio nickte und lehnte sich gegen den eindrucksvollen Kissenstapel. Mit halbgeschlossenen Augen und offensichtlicher Freude an der wiedergewonnenen Autorität sagte er: »Ich halte Euren Plan für weise, Cousin. Kümmert Euch darum.«
Tasaio verbeugte sich vor seinem Lord, als wäre seine Verabschiedung nicht die eines undankbaren Untergebenen gewesen; in jeder seiner genau bemessenen Bewegungen drückte sich Stolz aus, als er das private Arbeitszimmer verließ.
Incomo verbarg sein Bedauern beim Weggang des jungen Kriegers. Er fügte sich in das Leben, das die Götter für ihn bereithielten, und richtete gezwungenermaßen seine Aufmerksamkeit auf die weniger glorreiche Realität des tsuranischen Alltags; egal, welche blutigen und mörderischen Pläne das Spiel des Rates in Gang hielten, es gab auch andere, irdischere Angelegenheiten zu regeln. »Mylord, wenn Ihr einwilligt, möchte Euer Hadonra einige Kornkäufe mit Euch besprechen.«
Desio dachte eigentlich mehr an sein Essen und war nicht gerade bestrebt, sich mit der prosaischen Seite des Hauses zu beschäftigen. Doch die eisige Kompetenz seines Cousins hatte sein Verantwortungsgefühl geweckt, und er erkannte, daß ihm keine Wahl blieb. Er nickte und wartete ohne Klage, während Incomo nach Murgah, dem Hadonra, schickte.
Fünf
Verwicklungen
Der Wind raschelte in den Blättern der Bäume.
Der Duft von Akasi-Blumen und geschnittenem Gras breitete sich in Maras Privatgemächern aus. Nur eine einzige Kerze brannte in der Dämmerung der hereinbrechenden Nacht, und deren Flamme war noch dazu eher klein. Das flackernde Licht malte ein Bild, das sich in ständigem Wechsel befand, da immer andere Gegenstände aus dem Schatten herausgehoben wurden: das Leuchten eines Edelsteins, der Glanz auf polierten Jadearbeiten, feiner Stickerei oder Emaille. Immer dann, wenn das Auge den wunderbaren Gegenstand festzuhalten meinte, kehrte die Düsternis zurück. Doch Mara achtete nicht auf den Reichtum ihres Besitzes und die Schönheit um sie herum; ihre Gedanken waren woanders.
Mara hatte es sich in einem Nest aus Kissen bequem gemacht, während eine Zofe mit einem duftenden Perlmuttkamm ihre frei herabfallenden Haare kämmte. Die Lady der Acoma trug eine grüne Seidenrobe, auf deren Kragen und Schultern Shatra-Vögel aus weizenfarbenem Garn aufgestickt waren. Das dämmrige Licht verlieh ihrer Olivenhaut einen Schimmer aus sanftem Gold, ein Effekt, den eine mehr auf ihre Wirkung bedachte Frau sicherlich bemerkt hätte. Doch Mara hatte ihre Mädchenzeit als Novizin Lashimas beendet, und als Herrscherin blieb ihr keine Zeit für weibliche Eitelkeit. Welche Schönheit auch immer ein Mann in ihrem Anblick finden mochte, sie war lediglich eine weitere Waffe unter all den anderen.
Mit einer Direktheit, die jeden tsuranischen Edlen beunruhigt hätte, fragte sie den vor ihr sitzenden Barbaren über die Gewohnheiten und Kultur seiner Heimatwelt aus. Kevin schien unberührt von dem Mangel des gesellschaftlichen Protokolls und kam gleich zur Sache, was Mara dazu veranlaßte, seine Leute als unverblümt, wenn nicht gar als roh einzuordnen. Sie beobachtete ihn, wie er sich bemühte, ihr unbekannte Konzepte in die tsuranische Sprache zu übertragen, wie er immer wieder unsicher ins Stocken geriet, während er über sein Land und seine Leute sprach. Doch er lernte schnell, und sein Wortschatz verbesserte sich von Tag zu Tag. Jetzt versuchte er sie mit einem Witz zu erheitern, der in Zûn die »Runde gemacht hatte«, was immer das auch bedeuten mochte.
Kevin trug keine Robe. Die Diener hatten vergeblich versucht ihn auszustatten, doch es gab nichts, das groß genug für ihn war. Am Ende hatten sie sich für einen Lendenschurz entschieden und durch die Qualität des Stoffes die Kürze des Gewandes ausgeglichen. Es war Seide in gelblichem Rotbraun mit einem mitternachtsblauen Saum, die von einer geflochtenen Schärpe und Perlen aus Obsidian zusammengehalten wurde. Mara nahm es noch nicht einmal wahr. Sie hatte in der Nacht zuvor Nacoyas Rat befolgt und etwas Beunruhigendes festgestellt: Dieser Sklave erinnerte sie irgendwie an ihren toten Bruder Lanokota. Die Verunsicherung bei dieser Entdeckung hatte schließlich einer Verstimmung Platz gemacht, und während das schamlose Verhalten des Sklaven sie am Tag zuvor noch erheitert hatte, wollte sie jetzt nur Informationen.
Sie hatte den ganzen Tag viele anstrengende Besprechungen gehabt und war
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