Der Sklave von Midkemia
Finger, dann ließ sie die Hand wieder sinken, während das Armband aus seltenen Metallen laut klimperte. »Bei Lashimas Torheit, warum sind die Männer nur so schnell in ihrem Stolz gekränkt!« Ihre Augen verrieten einen Schmerz, der nichts mit Jiros Arger darüber zu tun hatte, daß sie ihn einst zurückgewiesen hatte.
Nacoya drohte ihr mit dem ausgestreckten Zeigefinger. »Ihr denkt wieder an diesen unglückseligen Barbaren.«
Mara beachtete die anklagenden Worte nicht. »Kevin hat nichts damit zu tun. Warum sollte Jiro den langen Weg auf sich nehmen und versuchen, mich zu provozieren – nur mit der Entschuldigung, daß es irgendwelche nicht gerade besonders gut dokumentierten geheimen Treffen innerhalb des Rates gibt?«
Jetzt sah Nacoya erschrocken aus. »Mylady, Ihr tut gut daran, auf Lord Tecumas Warnung zu hören – er verfügt möglicherweise nicht über ein so großes Netz wie Ihr, doch seine Spione sind nicht weniger gut. Es tut nichts zur Sache, daß Jiros Leidenschaft die Botschaft etwas vernebelte. Ihr seid in ernster Gefahr.«
Gereizt wischte Mara die Sorge ihrer Ersten Beraterin beiseite. »Nacoya, sicherlich habe ich genügend wichtigere Dinge zu bedenken, als daß ich mich auch noch mit Banalitäten belasten könnte. Wenn Intrigen im Rat im Gange wären, hätte mich doch sicher Arakasis Netzwerk darüber informiert.«
Sonnenlicht fiel durch den halbgeöffneten Laden auf das Gesicht der Ersten Beraterin und ließ sie wie die verhutzelte Karikatur einer Kamee erscheinen. »Lady«, meinte sie mit tiefem Ernst, »Ihr verlaßt Euch mehr auf Arakasis Spione, als es gut ist. Auch sie sind nur Menschen. Sie können weder in Desios Kopf schauen, noch hören sie jedes Wispern, das in dunklen Ecken hinter verschlossenen Türen ausgetauscht wird. Sie können nicht an allen Orten gleichzeitig sein. Und als sterbliche Menschen könnten sie sogar bestochen werden oder sich dazu verleiten lassen.«
»Nacoya, du sorgst dich mehr als dir zusteht. Du hast meine Erlaubnis, dich zurückzuziehen und etwas zu erholen.« Während Nacoya sich mit steifem Rücken verbeugte, zupfte Mara an der schweren Robe. Sie sehnte sich nach einem Bad und etwas Abwechslung, vielleicht nach einigen Musikanten oder Schauspielern, die sie zum Lachen bringen würden. Der Morgen mit den Cho-ja schien schon wieder sehr weit weg zu sein. Jiros eisige Feindseligkeiten bereiteten ihr mehr Probleme als Tecumas Sorgen über den Rat; und sie vermißte Kevin beinahe unerträglich. Sie sehnte sich so schmerzlich nach seiner freundlichen Gesellschaft, daß sie spontan ihren Läufer beauftragte, einen Schreiber zu holen. Als der Mann schließlich, bewaffnet mit Kreidestiften und Tafeln, erschien und sich verneigte, kam sie seinen höflichen Worten zuvor: »Geht zu den neuen Needra-Weiden, und beobachtet die Arbeiter. Schreibt einen Bericht über alles, was dort geschieht, besonders aber alles, das mit dem rothaarigen Mann zusammenhängt, der der Sklavenaufseher ist. Ich muß genau wissen, was er tut und sagt, damit ich den Wert seiner Arbeitsgruppe einschätzen kann.«
Der Schreiber beugte sich tief über seine Tasche. Es war nicht seine Sache, den Wunsch seiner Herrin in Frage zu stellen, doch als er sie verließ, war er sichtlich verwirrt, denn die Lady beschäftigte sich mit einer Angelegenheit, die normalerweise in die Verantwortung ihres Hadonra gehörte. In all den Jahren, die er jetzt schon als Schreiber arbeitete, hatte er noch niemals eine so ungewöhnliche Aufgabe erhalten.
Acht
Aussöhnung
Tasaio lächelte.
Der Lord der Minwanabi war verwirrt über den so ungewohnten Gesichtsausdruck seines Cousins und beäugte ihn argwöhnisch, als er, gerade von seiner Reise flußabwärts zurückgekehrt, durch die große Halle schritt. Dann erinnerte Desio sich, daß Sulan-Qu jene Stadt war, die den Gütern der Acoma am nächsten lag, und er verstand. »Was ist geschehen?« fragte er Tasaio, als dieser vor dem Podest stehenblieb und sich verbeugte – nicht vor dem großen, sondern einem kleineren, mit Kissen ausgestatteten an der Seite, auf dem Desio Platz genommen hatte. Diese leichte Erhöhung war für jene Gelegenheiten gedacht, wenn es nicht notwendig war, daß der Lord sich deutlich über seine Berater erhob.
Neben Desio wartete Kommandeur Irrilandi ohne jeden Groll auf den Mann, der ihn in jeglicher Hinsicht verdrängt und ihm nur den Titel gelassen hatte. Tasaio konnte auf seine edle Geburt verweisen und war ein brillanter Kommandeur;
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