Der Sklave von Midkemia
der Lage, zwischen den Zeilen zu lesen, und so vermutete er: »Ihr habt also den Zeitpunkt festgelegt, an dem der erste Teil Eurer Falle zuschnappen soll?«
Tasaio lächelte wieder, so breit und langsam, daß es wie das Gähnen eines Sarcat aussah. »Schneller, als ich erwartet hatte, aber später, als wir gewünscht hatten. Es ist an der Zeit, daß die Spione der Acoma die Nachricht von unserem geplanten Angriff auf die verfluchten Seidenladungen weitergeben.«
Desio nickte. »Eine normale Reaktion, in ihren Augen. Wir sind gestraft genug durch das Chaos, das ihr überraschender Eintritt in das Seidengeschäft verursacht hat. Maras Berater werden also bereitwillig glauben, daß wir einen Überfall planen, um ein bißchen von dem verlorenen Reichtum zurückzuerobern und ihre unrechtmäßig erworbenen Profite zu schmälern.«
Tasaio befühlte die Abdrücke, die die Riemen seiner Handschuhe auf seinen Unterarmen hinterlassen hatten; doch es war nicht sicher, ob dies ein Zeichen seiner Ungeduld war, denn ansonsten blieb seine Haltung kühl wie zuvor. »Cousin, sollen wir ihnen die Nachricht zukommen lassen, daß ›Banditen‹ die Karawane überfallen, wenn sie dem Fluß in Richtung Jamar folgt?«
Früher hätte Desio offen seinen Eifer zur Schau getragen und heftig genickt, doch jetzt runzelte er nachdenklich die Stirn. »Es genügt nicht, nur mit Fußtruppen zu drohen. Stellt sicher, daß sie den Eindruck gewinnen, als hielten wir auch Boote bereit. Mara muß klar sein, daß ›Fluß-piraten‹ die Barken überfallen werden, sollte ihr Hadonra die Karawane auf den Wasserweg umleiten wollen.«
»Natürlich, Mylord!« Tasaio mußte nicht länger nur so tun, als wäre der Vorschlag seines Herrn etwas Neues. »Diese Taktik wird Keyoke zwingen, einen stark bewachten Köder über die große Straße zu schicken, während er selbst eine kleine, schnelle Gruppe von Wagen über das Land der Tuscalora führt.«
»Wo wollt Ihr ihn angreifen?« fragte Desio mit aufmerksamer Miene.
Tasaio gab dem Läufer ein Zeichen, und der benach-richtigte den vor der Tür wartenden Adjutanten. Der Krieger trat mit einer schweren Pergamentrolle unter dem Arm ein. Er verneigte sich ehrerbietig vor seinem Lord und legte dann seine Bürde auf den Boden. Zwei Diener eilten herbei und entrollten sie.
Tasaio zog sein Schwert aus der Scheide und richtete es in einer geschmeidigen Bewegung auf die mäandernde blaue Linie – den Gagajin. »Wenn die Wagen erst einmal durch Sulan-Qu hindurch sind, wird Mara sie nach Süden auf die Große Flußstraße schicken, oder aber sie verlädt sie auf Barken und nimmt den Wasserweg. Sie wird versuchen, große Aufmerksamkeit auf diese falsche Karawane zu ziehen und sicherlich die Wagen mit den richtigen Waren nicht durch die Wälder östlich von ihren Gütern ziehen lassen. So nah an der falschen Karawane wäre das Risiko zu groß.« Sein Schwert kratzte über den Fluß, der die wichtigste Handelsstraße im Herzen des Kaiserreiches war; östlich und westlich davon waren wichtige Straßen als rote Linien markiert. »Hier«, sagte Tasaio und deutete mit der Schwertspitze auf eine unwichtigere, sich schlängelnde Linie, die im Süden die Grenze der Acoma-Güter kreuzte. »Keyoke wird ganz sicher das Land der Tuscalora in südlicher Richtung durchqueren und dann über die Ausläufer des Kyamaka-Gebirges ziehen, auf das Delta nördlich des Großen Sumpfes zuhalten und von dort direkt nach Jamar marschieren, dem Tor zu den Märkten des Südens.«
Desio beugte sich erwartungsvoll über die Karte. »Ihr werdet in den Bergen angreifen?«
Tasaio tippte mit der Waffe auf eine Stelle, wo die Straße sich in Serpentinen schlängelte. »An diesem Engpaß. Hat Keyoke ihn erst einmal mit seiner Streitmacht betreten, können wir mit unseren Leuten beide Seiten abriegeln, so daß – mit dem Segen des Roten Gottes – kein einziger Krieger der Acoma überleben wird.«
Desio tippte schweigend mit einem Finger gegen seine vollen Lippen. »Aber es könnte doch sein, daß Mara den Kommandeur bei sich behält und Truppenführer Lujan an seiner Stelle schickt?«
Tasaio zuckte mit den Schultern. »Im Umgang mit dem Handel hat Mara viel Geschick gezeigt, doch wenn es um Kämpfe geht, muß sie anderen den Befehl überlassen. Sie hat keine große Wahl, denn abgesehen von Keyoke und Lujan sind da nur noch ein halbblinder alter Befehlshaber, der sich bald zur Ruhe setzen wird, und zwei, die gerade erst befördert wurden. Sie wird das
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