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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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zu jagen… Sie fühlte sich plötzlich sehr elend.
    „Debora, ich will wissen, was das zu bedeuten hat! Warst du etwa in der Stadt, während ich mit dem Vieh unterwegs war?“
    „Ich wollte das Fest sehen… Das Fest drüben in der Totenstadt… Es tut mir leid…“
    „Was? Ich hatte dir verboten, den Hof zu verlassen! Kennst du nicht den Gehorsam, den eine Tochter ihrem Vater schuldet? Wo ist Tameri?!“ 
    „Sie hat nichts damit zu tun, Vater! Glaub mir! Ich habe sie überredet, mit zu kommen! Ich war so neugierig auf das Fest! Ich hab nicht gedacht…“
    Eine Ohrfeige ließ sie zurück taumeln. „Und was hast du dort gemacht?“
    „Nichts, Vater!“ schluchzte sie verwirrt. Noch nie hatte er sie geschlagen! 
    „Und Amenemhat von Ipet-Isut?!“
    „Er hat mich gesehen, bei dem Fest… oben in den Felsen…“
    „Er hat dich GESEHEN?!“ Ein zweites Mal traf sie die Hand des Vaters. „Und was noch?!“
    „Nichts! Nichts ist passiert, glaub mir!“
    „Mach dass du ins Haus kommst! – Und du“, wandte sich Barkos an den immer noch im Dreck kauernden Khenti, „...wage dich nie wieder hier auf diesen Hof! Hast du verstanden? Sonst lasse ich dir die Gedärme aus dem Leib prügeln!“
    „Ja, ja, Herr! Ich bin schon weg!“ 
    Er stolperte hoch und hastete in Windeseile davon.
    Der Hausherr sah ihm nach, verschränkte seine Arme auf dem Rücken und nahm dann den gleichen Weg, den er eben seiner Tochter befohlen hatte, dabei achtlos auf den Blütenkranz tretend, den Debora gerade geflochten hatte. Für ihn und seine Familie hatte das Fest des Frühlings geendet, noch ehe es begonnen hatte! Und das gerade jetzt! Er hatte erst in der letzten Woche Bande mit einem entfernten Verwandten in der alten Heimat geknüpft, der seine Tochter zur Braut erhalten sollte. Eine Möglichkeit, dieses Land endlich verlassen zu können und heim zu kehren auf die so vermissten grünen Wiesen! Eine Möglichkeit, die Gnaden bei seinem Fürst zurück zu erlangen, die er vor zwanzig Jahren so unachtsam verloren hatte!
    Barkos’ Zorn auf die Ungehorsamkeit seiner Tochter verblasste, als ihm die Folgen klar wurden... Er hatte hinter vorgehaltener Hand genug Geschichten über Amenemhat gehört. Aber das seine so behütete Tochter einmal eine Rolle darin spielen sollte! Nein, da sollten die Götter vor sein, dass sie in seinem Bett landete und anschließend weggeworfen wurde wie ein nutzloses Spielzeug! Sein unschuldiges, kleines Mädchen, seine kostbares Prinzesschen!

    Debora saß weinend auf der Bank am Fenster, als er eintrat. Sie begriff noch immer nicht, was genau ihren Vater so sehr in Zorn brachte, aber sie fühlte sich schuldig, dass es so war. 
    „Es tut mir leid, Vater!“ schluchzte sie jetzt wieder. „Ich wollte nur das Fest sehen... und den Hohepriester! Weil Kare immer erzählt hat, er hätte den bösen Blick! Ich hatte gewettet, dass er mir nichts anhaben kann, wenn ich Mutters Amulett trage! Ich hab mir nichts Schlimmes dabei gedacht!“
    „Aber du siehst, was du angerichtet hast!“ 
    Er schritt vor ihr auf und ab, strich sich über den Bart und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. „Du wirst fort müssen von hier! Ich sehe keine andere Möglichkeit!“
    „Fort? Wohin?“ 
    „An einen Ort, an dem Amenemhat dich nicht findet! Du... du wirst zu Zoros, dem Phönizier gehen! Er ist ein alter Geschäftsfreund.“ 
    Zoros mochte keinen makellosen Ruf haben, aber er war ein geschworener Feind der Amunpriesterschaft, seit diese sich Teile seines Landes angeeignet hatten. Und nur das zählte im Augenblick! Debora musste in Sicherheit gebracht werden, bis er alles arrangiert hatte mit ihrer Hochzeit und er sie in die Heimat entsenden konnte!
    Das junge Mädchen blinzelte gegen die Tränen an und schluckte. Den Hof, ihren Vater, Tameri, alles was sie kannte zu verlassen, erschien ihr etwas Undenkbares! Warum hatte ihr Vater solche Angst vor dem Ersten Gottesdiener aus Ipet-Isut? Sie wollte fragen, kam aber nicht dazu.
    „Geh und packe ein paar Sachen zusammen! Ich werde gleich einen Boten zu Zoros schicken!“
    „Heute noch?“ 
    Das Schweigen ihres Vaters war Antwort genug.

    Die weichen, mit Salböl gepflegten Hände des Zweiten Dieners Amuns versuchten, den doppelten Schurz aus weißem Leinen um die Hüften des Hohenpriesters zu knoten. Seine Mühen waren diesmal erheblich.
    „Erhabener!“ klagte er mit seiner hohen, weinerlichen Greisenstimme. „Wie soll ich dich ankleiden, wenn du wie ein Löwe

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