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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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hielten Linderung bereit. Selbst die Fliegen krochen nur noch über Boden und Wände. Amenemhat war irgendwann nach Mitternacht in einen unruhigen Schlaf gesunken, in den hinein ihn jetzt die Erinnerung an Debora verfolgte. Er sah ihr Gesicht schemenhaft aus der Dunkelheit auftauchen, ihr Haar zu tatsächlichen Flammen werden, die ihre gierigen Zünglein nach ihm ausstreckten und ihn verbrannten, ohne dass er die Kraft aufbrachte sich zu bewegen oder gar zu fliehen. Als er die Hand nach dem Traumbild ausstreckte, verwandelten sich Deboras Züge in ein vom Aussatz zerfressenes Zerrbild.
    Mit einem Schrei erwachte er, wischte den Schweiß von der Stirn und merkte, dass klebrige Feuchte seinen ganzen Körper bedeckte. Eine träge heranschwirrende Fliege verscheuchend griff er nach dem Wasserkrug. Die Flüssigkeit darin war zwar abgestanden und warm, aber er kippte sie dennoch über sich aus. Heute würde das morgendliche Bad im Tempelteich gewiss eine Erholung sein! 
    Er trat zum Fenster und prüfte den Stand der Gestirne, um die Stunde festzustellen. Erneut Schlaf zu finden würde umsonst sein. Also konnte er sich ebenso gut an die Vorbereitung gewisser Maßnahmen im Delta machen. Es sah bei weitem nicht danach aus, als könne die Entscheidung noch militärisch erzwungen werden. Pharao Ramses hatte sich bisher nicht wieder von seinem Krankenlager erhoben, und das war die schlimmste Konstellation, die er sich vorstellen konnte: ein lebender, aber handlungsunfähiger Herrscher!
    Nein, er durfte keine Zeit mehr verlieren, nicht noch länger warten. Es gab nur einen Ausweg – und der war jetzt zu beschreiten! Er verließ sein Schlafgemach und ging in den angrenzenden kleinen Raum. Dort holte er das Schreibbesteck aus seiner Schatulle und griff ein Papyrusblatt von dem Stapel bereit liegenden Materials, froh um alles, was ihn von weiteren Gedanken an Debora ablenken konnte.

    Noch vor Sonnenaufgang händigte Amenemhat dem Zweiten Diener Amuns eine versiegelte Schatulle aus. „Dies übergibst du dem Gaufürsten von Men-Nefer, zusammen mit den Gütern, die gerade auf das Boot verladen werden.“ 
    Er warf einen kurzen Blick aus dem Fenster hinunter zum Fluss. Dass er beinahe ein Viertel des Tempelschatzes opferte, würde Smendes hoffentlich zu würdigen wissen und seine jüngste Entscheidung bezüglich der Libyer noch einmal überdenken! Sich wieder dem Zweiten Gottesdiener zuwendend fuhr er fort: „Offiziell bist du unterwegs in den Libanon, um Zedernholz für das neue Dach über der zweiten Halle zu kaufen. Lasse dich durch nichts aufhalten! Durch absolut nichts, hast du verstanden?“
    Der andere Priester nickte. Was genau sein Auftrag sein würde, sagte der Hohepriester ihm nicht. Und das reichte aus.
     „Ja, Erhabener!“ 
    Der Zweite Diener Amuns verstaute die Schatulle in der Ledertasche über seiner Schulter, ohne eine weitere Nachfrage. Er wusste, dass er auf eine solche ohnehin keine Antwort erhalten hätte. Amenemhat verfolgte seine eigene Politik und vertraute mit Ausnahme Menkheperres seinen Untergebenen nur so viel an, wie absolut unbedingt notwendig war. Der alte Priester verneigte sich mit einem letzten Gruß und verschwand. 
    Amenemhat lauschte den verklingenden Schritten, drehte sich dann zum Fenster um und ließ die Finger über ein kleines Tongefäß gleiten. Wenn dieser wahnwitzige Plan misslang, würde er selbst der Nächste sein, der ins Totenreich hinab schritt.
    Er sah die Zeilen auf dem Papyrus vor sich, den der Gesandte überbringen sollte und ein ironisches Lächeln huschte über sein Gesicht. Verrat…was für ein hässliches Wort…
    Er bevorzugte, es den ‚Weg der Rettung‘ zu nennen. Und wenn dieser Weg sich nur dann öffnete, wenn der Pharao endlich in die Ewigkeit einging und sein Sohn mit ihm, dann sollte es so sein! Falls das Vorhaben von Erfolg gekrönt war, und der Gaufürst von Men-Nefer ihm, Amenemhat, die Treue schwor, hatte er bereits einen mächtigen Verbündeten auf seiner Seite und es würde leichter sein, die übrigen lokalen Machthaber im Delta zu gewinnen und dann eventuelle Gegner in Ober-Kemet auszuschalten... Dass es zu einem Bürgerkrieg kam, hoffte er nicht. Pharao Ramses’ Regierung hatte das Land in eine Stagnation gestürzt, deren Fortdauer sich nur Wenige wünschen konnten. Doch... er war und blieb der Sohn Amun-Ras, ein auf Erden wandelnder Gott. Amenemhat holte tief Atem und starrte wieder auf das Giftfläschchen.

Kapitel 4

    Debora gähnte und

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