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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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versuchte umsonst, die Müdigkeit zu verscheuchen. In den vergangenen Nächten war kaum daran zu denken gewesen, zu schlafen. Zum einen hatte sie die brütende Hitze wach gehalten, obwohl sie gleich einigen anderen Bewohnern des Gutes auf dem Hausdach ihre Matte ausgerollt hatte, zum anderen hatte sie Heimweh. Vor allem Tameri vermisste sie. Außerdem fasste ein schlechtes Gewissen in ihr Fuß, je öfter sie an ihren verbotenen Ausflug nach West-Waset und an ihren Vater dachte. Sie war nur neugierig gewesen und hatte etwas offenbar sehr Schlimmes angerichtet, ohne genau zu wissen, was! Missmutig schlenderte sie über den Hof, bis sie von kichernden und flüsternden Stimmen angelockt wurde. Es waren ein Küchenmädchen und einer von Zoros’ Schreibern, die bei den gestern gelieferten Warenballen zusammen standen und – ihre Blicke ließen keine Zweifel – sich über Debora lustig machten. 
    „He, du, Fremdländerin! Feuerkopf!“ rief das Küchenmädchen jetzt, und schon die Anrede schien ihr unbändige Freude zu bereiten.
    „Lass mich in Ruhe!“ 
    „Wir wollen dich doch nur etwas fragen!“ Sie grinste dem Mann neben ihr verschwörerisch zu. „Stimmt es, dass dein Vater dich hier her gebracht hat, damit der Hohepriester des Amun dich nicht in die Finger kriegt?“
    Debora erschrak. Hieß es nicht, dass niemand überhaupt wissen sollte, warum sie hier war?! „Wo hast du das gehört?“
    Das Küchenmädchen lachte. „Zoros hat so eine lose Zunge, wenn er trinkt! Es stimmt also! Ah... das ist so komisch!“ 
    Sie knuffte Zoros’ Schreiber in die Seite. 
    „Warum?“
    „O sieh dich an, Feuerkopf! Dein Alter muss wirklich aus der allertiefsten Wüste von den Barbaren kommen, wenn er glaubt, dass Amenemhat an einem dürren Huhn wie DIR was finden könnte!“
    „Der hat genug Weiber zu besteigen!“ fiel jetzt auch der Schreiber grinsend ein. „Und du, DU weißt doch nicht mal wie es GEHT…“
    „Ich habe gehört, die Hapiru können es nur wie die Ziegen und Hunde! Und bist du nicht eine von diesen Dreckfressern?“
    Beide brachen in wieherndes Lachen aus.
    Debora drehte sich um und ergriff die Flucht. Sie fühlte sich bloßgestellt, der Lächerlichkeit preisgegeben – und auch ansonsten kochten Wut und Kummer in ihr hoch, ohne dass sie diese Gefühle hätte genau einordnen können. Sie stieg hinauf auf das Dach des Haupthauses, um allein zu sein und wendete halbherzig die hier oben zum Trocknen ausgelegten Datteln.
    Irgendwann klangen von der Straße Lärm und wütende Stimmen herauf. Sie beugte sich über die Brüstung und sah Nubier aus der königlichen Leibgarde in blaugold gestreiften Schurzen, die in das gegenüber liegende Haus des Goldschmieds vordrangen. Wenig später zerrten sie den alten Meister auf die Straße. 
    „Ich habe dich gewarnt, wenn du nicht rechtzeitig    lieferst!“
    „Es ist nicht meine Schuld! Man hat mich bestohlen“, wehrte sich der Goldschmied verzweifelt, während er horchte, wie der andere Nubier in seiner Werkstatt wütete. „Nicht meine Werkzeuge! Zerschlagt nicht meine Werkzeuge, ich bitte euch!“
    „Bestohlen – erzähle keine Lügen, Alter! Du willst uns betrügen und das Gold für dich behalten!“
    „Man hat mich bestohlen, ich schwöre es bei der Schönheit der Iset! So ein niederträchtiger Halunke! Der sagte, er sei auf der Suche nach einem rothaarigen Mädchen, und während ich nach hinten ging, um meine Frau zu fragen, räumte er hier alles ab! Ich schwöre es! Habt Erbarmen und gebt mir etwas Zeit!“ Der Alte fiel flehend auf die Knie.
    „Du hattest genug Zeit, Mann!“ Der Nubier hob sein Schwert, aber in diesem Moment sprang ihn von hinten ein dürrer Knabe an und schlug die Hände in den muskelbewehrten Rücken wie ein zorniges kleines Tier. Während der Gardist versuchte, ihn abzuschütteln, tauchten weitere Gestalten aus der Gasse und den umliegenden Häusern auf. 
    Debora beobachtete hinter die Mauerbrüstung gekauert, wie Steine und Unrat in Richtung der Nubier flogen, dann, wie ein Schwerthieb einen Mann zu Boden streckte. Sie war noch nie Zeuge solcher Grausamkeit geworden. Ihr Magen bewegte sich unangenehm nach oben. Noch dazu, wo ganz offenbar sie der Grund für dieses Unheil war! Wer war da auf der Suche nach ihr gewesen? Der gleiche Mann, der auf ihrem Hof vorstellig geworden war? Sie hörte den Schrei eines Kindes und das Trampeln weiterer sich nähernder Soldatenfüße und drehte sich rasch weg.
    Angetan mit den Insignien seiner

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