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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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Menschen ringsum gar nicht wahr. Er war gut einen Kopf größer als die meisten anderen, fiel ihr auf, bevor andere Zuschauer ihr die Sicht versperrten.
    Der Herr von Ipet-Isut! Ipet-Isut! Der Heiligste Ort von Kemet! Sie hatte schon so viel von der Tempelanlage gehört. Himmelhohe, gewaltige Säulen sollte es dort geben und steinerne Wächter, um ein Vielfaches größer als ein gewöhnlicher Mensch. Die Kinder Kemets, so hatte ihr Vater behauptet, glaubten, dass Geister der Toten in den steinernen Statuen hausten. Das hatte sie früher immer mit Angst erfüllt...
    „Preist Amun-Ra, den Herrn von Ipet-Isut! Den König der beiden Lande!“
    Debora wurde von der schreienden Menge vorwärts geschoben. Alles verschwand unter einem Regen von Lotusblüten, die begeisterte Gläubige in die Luft warfen. Die Tempeldiener hatten Mühe, eine kleine Gasse zu bahnen, durch die die Priester den Schrein ungehindert zur Anlegestelle tragen konnten. Debora verlor ihre Begleiterin aus den Augen. Ein paar kleinere Kinder tobten an dem Mädchen vorbei und überboten die Erwachsenen in ihrem ausgelassenen Gebrüll.
    „Die Königliche Gemahlin…“ flüsterte es dann von mehreren Seiten, und die Festteilnehmer um Debora fielen auf die Knie. Irgendjemand beförderte auch sie mit einem heftigen Stoß zu Boden. Sie landete unsanft und schürfte sich den linken Arm auf, aber im Moment war ihr das gleichgültig. Sie würde die Königin sehen!
    Nefertari saß auf ihrem kostbaren, mit Elfenbein ausgelegten Thronsitz, in ein leuchtend weißes Gewand gehüllt und im Schmuck von Arm- und Halsreifen, die mit der heiligen Barke um die Wette blitzten. 
    Sie war schön, fand Debora, so unglaublich schön, edel und anders als sie es gewiss je sein könnte…
    Zahlreiche aufgeputzte Dienerinnen folgten der Sänfte der Königlichen Gemahlin nach, dann Musikanten mit Trommeln und Flöten, und schließlich weitere Höflinge. Über allen schwebte der Duft von Weihrauch, Zimt und anderen Gewürzen, die sie nicht kannte.

    „Kind, wir sollten heimkehren!“
    Debora schrak aus ihrer Bewunderung auf und wandte sich der Stimme zu. Bei einer der Palmen, von der jetzt einige Kinder abwärts rutschten, die sie als Aussichtspunkt genutzt hatten, erkannte sie ihre Begleiterin. Jetzt eilte die ältere Frau näher. „Du warst plötzlich nicht mehr zu sehen! Ich war schon in Sorge! – Wir sollten uns auf den Rückweg machen; er wird beschwerlich genug in der Hitze...“
    „Nein, nein auf keinen Fall!“ 
    Debora stand auf und bemühte sich, halbwegs ihre beschmutzte Kleidung in Ordnung zu bringen. „Es gibt doch noch ein Fest in West-Waset! Das will ich unbedingt sehen! Und ich will meine Wette nicht verlieren! Kare soll nicht denken, ich hätte Angst gehabt und sei davon gerannt wie ein kleines Kind! Wo er sich doch immer über mich lustig macht!“ Sie klopfte leicht auf ihr Amulett. „Ich werde ihm beweisen, dass ich nicht zu Stein erstarre, wenn ich dem Herrn von Ipet-Isut ins Gesicht schaue!“
    „Du hast WAS gewettet? Was für Flausen hat Kare dir in den Kopf gesetzt, Mädchen?“
    „Schnell Tameri, lass uns einen Platz auf einem der Boote finden!“
    Die alte Amme schnaufte und seufzte und folgte dem Mädchen, so rasch sie konnte. Wenn es ihr schon nicht gelang, ihr diesen Unsinn auszutreiben, so würde sie sie wenigstens nicht allein gehen lassen! Nein, unter keinen Umständen würde sie das Mädchen hier allein lassen! Iset mochte ihr beistehen, aber über die Jahre war es immer schwieriger geworden, diesen Wirbelwind von Mädchen zu hüten... 

    Es war Nacht geworden. Das Licht von hunderten Fackeln und Kohlebecken tauchte die Tempel am Rande des Fruchtlandes und die Wächterhäuschen der Totenstadt in das gelbe, warme Licht der Lebendigen, die heute hier ihre Ahnen feierten. Man gab sich einem ausgelassenen Fest hin. Die offiziellen Zeremonien waren vorüber – das zweite Jahr schon ohne Leitung des Pharao. Der Hohepriester von Ipet-Isut hatte Ramses bei den heiligen Handlungen vertreten, und übelwollende Stimmen flüsterten, er vertrete ihn auch bei weitaus weniger heiligen Dingen, wenn es die Königliche Gemahlin Nefertari betraf.
    So weit es ging im Schutz der Mauern und der Dunkelheit bewegten sich Debora und Tameri durch das Gelände. Da ihr Vater das Mädchen sonst kaum aus den Augen ließ und ihr nicht gestattete, nach Waset oder gar zu den Feiern der Einheimischen zu gehen, war jede Kleinigkeit etwas, das Debora mit allen Sinnen

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