Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
Vom Netzwerk:
und eilte hinaus. 
    Er hörte nicht mehr, wie Senmut, dessen Geist bereits wieder in jenes Zwischenreich abglitt, murmelte: „Iny... Kronprinz Iny... höre mich, Amenemhat...“

    Kurz darauf fand der Hohepriester an den knorrigen Stamm eines Olivenbaumes gelehnt den Mann, den er vor einem Monat ins Delta entsandt hatte: Menkheperre, den Vierten Gottesdiener von Ipet-Isut, einen seiner engsten Vertrauten seit vielen Jahren. Menkheperre wusste über so manche Dinge Bescheid, die niemand sonst auch nur geahnt hätte.
    „Amun sei gelobt, dass du am Leben bist!“
    „Seine Macht hat mich beschirmt. Ich habe geglaubt, die Reise ins Jenseits antreten zu müssen… und meine Familie…“ Der andere Priester seufzte und senkte den Kopf.
    „Deiner Frau und deinen Kindern geht es gut, Menkheperre – außer dass sie in Sorge um dich waren, wie ich auch! – Aber nun berichte! Wie ist die Lage im Delta?“
    „Es ist zu schweren Kämpfen mit den Libyern gekommen. Pharao Ramses wurde verwundet und an seiner Stelle hat Kronprinz Iny das Kommando übernommen.“
    „Iny?“ 
    Der kaum sechzehnjährige Sohn des Pharao genoss nicht gerade den Ruf, ein viel versprechender Feldherr zu sein. Genau genommen ist er in überhaupt nichts sehr vielversprechend, dachte der Hohepriester säuerlich. Er kannte den Jungen schon seit seiner Geburt. Ein Bengel, ebenso launisch wie seine Mutter, ohne Intelligenz und Disziplin, jedenfalls nach Amenemhats Meinung. Irgendwann, als Iny kaum 7 Jahre alt gewesen war, war Nefertari der - wie Amenemhat sarkastisch dachte, überaus glorreiche - Gedanke gekommen, ihren Sohn nach Ipet-Isut zum Unterricht zuschicken. Er hatte sich jahrelang mit dem Jungen geplagt und kaum mehr als eine intensive Abneigung heran gezüchtet. Und jetzt hatte dieses Kind den Befehl über die Truppen inne?! Die Götter mochten Kemet beistehen!
    „Wie hat Smendes von Men-Nefer auf mein Schreiben reagiert?“
    „Er hat es in meinem Beisein in die Flammen geworfen“, antwortete Menkheperre zögernd. „Er meinte, dass du zwar wohl tönende Worte fändest, doch er mit Worten keine Streitmacht bezahlen könne, um seine Güter gegen die Übergriffe der Libyer zu schützen.“
    „Ah! Sind ihm die Hälfte der Einkünfte aus den nubischen Goldminen nicht genug?! Dieser gierige Raffzahn! Aber er weiß genau, wann er einen Aderlass machen kann bis das Opfer ausgeblutet ist! - Also hat er abgelehnt?“
    „Er hat gemeint, es sei vorteilhafter, mit dem Feind einen Vertrag zu schließen! - Dass sein Leib zerfallen möge!“
    Amenemhat presste die Lippen zusammen und unterdrückte einen Fluch. Er hatte geahnt, dass es so kommen würde! Und weder Ramses, der Neunte dieses Namens, noch sein erbärmlicher Sohn waren in der Lage, den Gaufürsten oder gar den Libyern militärisch die Stirn zu bieten! Die Großtaten ihrer Ahnen, von denen die Inschriften im Tempel berichteten, waren vorbei! Der große Name nur noch Schall und Rauch, ein Hohn! Im Gegenteil, sie lieferten eher Beweise, dass die Entscheidungen der Provinzfürsten, sich von Waset los zu sagen, weise und voraus schauend war! Smendes von Men-Nefer lavierte sich seit Jahren durch das seichte Gewässer des politischen Versagens des Pharao, immer auf der Suche nach einer Gelegenheit, seinen Traum von Unabhängigkeit wahr werden zu lassen. Mindestens ebenso lang versuchte Amenemhat, ihm wechselseitig das Wasser abzugraben oder ihm andere lockende Jagdgründe in Aussicht zu stellen. Beide Optionen waren offenbar nun dahin – Smendes hatte einen Schlussstrich gezogen! Und einen sehr gefährlichen dazu. Und auch die zweite Front in Nubien war unruhig. Amenemhat hatte dem alten Ramses die Ernennung zum Vizekönig über die südlichen Gebiete abgetrotzt, bevor der Pharao zu seinem Feldzug aufgebrochen war. Das gab ihm teilweise Verfügungsgewalt über die dortigen Einkünfte, vor allem die Bergwerke, aber Gold allein verschaffte ihm noch keine Armee! Er hatte beträchtliche Summen bereits in den Gaufürsten von Men-Nefer investiert, alles umsonst! Mehr und vor allem jetzt konnte er sich nicht leisten. Und er wusste, dass seine Gegner bei Hofe ihre Spione in Nubien hatten und eifersüchtig jede seiner Handlungen verfolgten. Er musste ausgesprochen vorsichtig agieren. Genau das war auch den nubischen Stammesfürsten bekannt, die ihn ihrerseits mit Forderungen nach Eigenständigkeit erpressten. Der Hohepriester stützte den Kopf in dieHände und verharrte einen Moment lang in dieser

Weitere Kostenlose Bücher