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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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erwachte und brauchte einen Moment, um sich erinnern zu können, wo sie war. Sie lag auf dem Lehmboden eines kleinen Hauses, ein Huhn stakste gerade an ihren Beinen vorüber, und durch die kleine Fensteröffnung schien das Sonnenlicht. Sie stützte sich hoch, sah sich um. Auf dem Tisch lag der Rest eines Brotfladens. Jetzt erinnerte sie sich. Die Frau, die sie gestern vor dem herrischen Militärschreiber in Sicherheit gebracht hatte… und ihr zu Essen gegeben hatte…  
    Debora streckte die Hand nach dem Rest des Brotes aus, als Stimmen von einem Nebenraum zu ihr drangen:
    „… das kannst du nicht tun, Eja! Das kannst du einfach nicht tun!“
    „Ach, sei still! Wir müssen unsere Schulden bezahlen! Wenn ich diese Woche nicht bezahle, hat er gesagt, nimmt er dich in Schuldsklaverei! Und wie soll ich dich je auslösen? Ich kann nicht mehr gut arbeiten, das weißt du! Nein, nein, die Götter haben sie uns geschickt! Es ist ein Zeichen!“
    „Wie kannst du die Götter bei so einer Sache bemühen? Das ist Frevel!“
    „Schluss jetzt, sage ich!“ 
    Der schwere Vorhang wurde zur Seite geschoben und Debora sah erstaunt auf einen älteren Mann, der sich auf einen Stock stützte. Dahinter erkannte sie die Frau, die sie gestern ins Haus gezogen hatte. Sie saß auf einem Bett, hatte den Kopf in die Hände gestützt und erinnerte plötzlich so sehr an Tameri, dass sie am Liebsten zu ihr gelaufen wäre und sie in die Arme genommen hätte.
    „Mädchen, komm her, ich will dich sehen!“
    Der fremde Mann streckte ihr die Hand entgegen und Debora machte einen Schritt auf ihn zu, ihr Unbehagen noch immer von dem Gedanken an ihre tote Amme übertönt. Im nächsten Moment hatte der Alte sie mit unerwartet festem Griff an den Handgelenken gepackt und einen Lederriemen um ihre Arme geschlungen, ehe sie sich losreißen konnte. Jetzt schrie sie und trat nach ihm, aber ein heftiger Hieb mit dem knorrigen Stock brachte sie zu Fall. Die Frau im anderen Zimmer schluchzte, und der Mann herrschte sie erneut an zu schweigen.
    Debora fühlte, wie ein weiterer Riemen um ihre Füße gezurrt wurde. Sie zitterte am ganzen Körper und fragte sich plötzlich, ob sie ihren Vater wiedersehen würde, wenn sie starb…
    Der Mann stieß sie vorwärts hinaus auf die Straße. Sie konnte mit den Fesseln kaum gehen, stolperte und humpelte wie ein gefangenes Tier, fiel aber nicht, da er sie dicht bei sich hielt. Ein paar Leute, denen sie begegneten, lachten und machten anzügliche Witze, ob der Alte seine Frau schon an sich ketten müsse, um sie zu behalten. Debora sah sich verzweifelt um, riss an den Fesseln – aber es war keine Möglichkeit, los und schnell fort zu kommen.
    Dann standen sie vor einem Haus mit zwei Säulen am Eingang. Seinen Pfand vor sich her schiebend trat der Alte durch die Tür.
    „Ich will Itakaiet sprechen! Ich habe Ware für sie!“
    „Was bildest du dir ein, du schmutziger Hundesohn?“ klang eine herablassende Stimme, und Debora sah eine schlanke Frau nähertreten, mit einem reichhaltigen Schmuck, wie sie ihn nicht einmal damals bei Königin Nefertari gesehen hatte.
    „Ich will dir ein Mädchen verkaufen!“
    „Die da etwa?“ fragte Itakaiet gedehnt und fasste Debora unter dem Kinn, um ihr Gesicht zu sehen. „Ihre Haut ist sonnenverbrannt, sie hat überall Schrammen, sie ist unterernährt! Wer soll die wollen? Die taugt nicht mal dazu, bei mir zu putzen! Nicht mal Khenti würde die anrühren!“ 
    Mit einem raschen Griff riss sie Debora das Kleid von den Schultern und musterte das schreckensstarre Mädchen mit herunter gezogenen Mundwinkeln. „Die Narbe von dem Peitschenhieb wird auch für immer zu sehen sein!“
    „Aber… wenn du sie gut pflegst…“ brachte der Alte schmeichelnd vor. „Sieh dir ihre Haare an, so was hat man noch nicht gesehen in ganz Kemet! Du wirst ein Vermögen mit ihr machen!“
    „Rede nicht! Du bist halb blind und könntest nicht mal eine Kuh von einem Ochsen unterscheiden! Und für Mädchen dürfte dir erst recht die Kompetenz fehlen!“ Wieder musterte sie Debora. „Nein, mehr als ein Kupferviertel ist die nicht wert! Oder sagen wir… zwei Kupferviertel, weil ich heute in mitleidiger Stimmung bin!“ Sie schnippte mit den Fingern und eines ihrer Mädchen kam hinzu geeilt. „Hol meine Schatulle! Und sage Senet, sie soll dieses Hungerbündel waschen, damit ich sie mir genau ansehen kann!“
    Dann stieß sie Debora Richtung Treppe. Eine Neue – warum nicht, es würde sich zeigen, wo sie

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