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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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Hohenpriesters erhielt er Unterstützung von Seiten General Sobekemsafs, früher eher einem Mann, der seine Machtbefugnisse kritisch betrachtet hatte. „Majestät, die Worte des Ersten Gottesdieners sind wahr. Und wenn wir dem Gegner zu lang Zeit lassen, neue Kräfte zu sammeln, so...“
    Inys Handbewegung gebot dem Heerführer zu schweigen. „Ich trage die Kronen der beiden Länder“, antwortete er. 
    Amenemhat sah sich in Gedanken zu einer ironischen Bemerkung veranlasst. 
    „Als Herr der beiden Länder muss ich mein Augenmerk nicht allein auf die Belange von Unter-Kemet richten, sondern auch auf die Dinge hier. Auf das Wohl von Waset. Aufs Neue ins Delta aufzubrechen, noch bevor ich hier der Göttin Ma’at die schuldigen Opfer gebracht habe, wäre nicht weise.“
    Wie ich sehe, hast du Kahoteps Sprüche gut auswendig gelernt, kommentierte Amenemhat, den Zorn in seinen Augen mit einem raschen Blick auf den Boden kaschierend. Vielleicht solltest du lernen, deinen eigenen Verstand zu benutzen! Zumindest das Bisschen, was du hast!!!
    „Ich werde die Heilige Stadt nicht verlassen“, bekräftige der junge König noch einmal. „Im Gegenteil, ich werde dafür sorgen, das Übel, das sich hier eingenistet hat in der Abwesenheit meines geschätzten Vaters – er lebe ewig – zu beseitigen!“
    Ah sieh an! Ich bin sicher, der geschätzte Kahotep hat dabei meinen Namen fallen lassen, nicht wahr?
    Iny-Ramses klatschte in die Hände und machte damit deutlich, dass er mehr zu hören nicht gewillt war. Amenemhat erhob sich, beugte den Kopf so knapp, wie es gerade noch ziemlich war und marschierte aus dem Thronsaal. Auf seinem Weg hinaus aus dem Palast begegnete er dem Oberpriester des Ptah, auf dessen Brust das unverkennbare Ehrenzeichen des königlichen Beraters glänzte, das Medaillon des Gottes Thot. Kahotep hielt es nicht für wert, Amenemhats sarkastischen Gruß und den Wunsch um langes Leben zu erwidern. Er schritt an dem Hohepriester von Ipet-Isut vorbei, als sei jener nicht mehr als ein Palastdiener. Der gute alte Senmut hat immer die Stärke aufgebracht, Höflichkeiten mit mir auszutauschen, dachte Amenemhat. Ganz offenbar fehlte seinem jungen Nachfolger diese Kraft; er hatte Angst, sich irgendetwas zu vergeben! Mit einem Mal fühlte sich Amenemhat fast heiter, und als er an den nubischen Gardisten der Palastwache vorüber ging, lag ein Lächeln auf seinem Gesicht.

    Debora hatte den Militärschreiber, der einem der königlichen Beamten vorausging, zu spät gesehen, um noch weglaufen zu können.
    „Elendes Bettelpack! Das Anubis euch ins Totenreich hole!“ erboste er sich und ließ seine Peitsche drohend an dem Kopf des Mädchens vorbei schnalzen. „Verschwindest du bald? Mach das du fort kommst, Dreckbalg!“
    Debora stolperte los, seiner Meinung nach aber wohl nicht schnell genug. Die Peitsche traf mit einem klatschenden Geräusch ihren Rücken. Sie strauchelte und wäre gestürzt, hätten sie nicht zwei hilfreiche Hände in das schützende Innere eines Hauses gezogen.
    Das erschrockene Mädchen vernahm die Worte einer Frau, noch bevor sie deren Gesicht im dämmrigen Licht ausmachen konnte. 
    „Ach du armes Ding! Ein Flüchtling aus dem Delta? Nein, du bist eine Fremdländerin…“
    Debora wollte etwas erwidern, aber der Redefluss der Frau versagte ihr dies. Sie sprudelte so rasch ihr Schicksal hervor, vom Tod ihres Sohnes im Krieg gegen den Gaufürsten von Gizeh, den hohen Steuern und der Gicht ihres Mannes, das dem Mädchen der Kopf schwirrte.
    „Ach, ich schwatze und schwatze!“ Damit hielt sie endlich inne. „Du hast sicher Hunger, nicht wahr? Hier, nimm und iss!“ Sie reichte Debora einen in Brotfladen gewickelten Käse.
    Zögernd nahm diese die Gabe entgegen. Sie hatte schrecklichen Hunger. Andererseits wollte sie sich nicht so lang aufhalten, sondern den Tempel des Ptah noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen…
    „Na, das ist schon besser, was, meine Kleine? Woher kommst du? Solches Haar… das habe ich noch nie gesehen!“ Die schwielige Hand der Frau strich neugierig über ihre Locken.
    „Ich komme aus…“ begann Debora, aber sie konnte nicht einmal die Worte denken, geschweige denn aussprechen, ohne die ausgebrannten Ruinen ihres Hauses und die Leichname ihres Vaters und Tameris wieder vor sich zu sehen. Nirgends woher kam sie! Ihre Vergangenheit war tot! Sie schloss ihre rechte Hand wieder fest um das alte Medaillon ihrer Mutter und starrte die fremde Frau nur an.

    Debora

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