Der Skorpion von Ipet-Isut
sie einsetzen konnte! Notfalls konnte man sie weiterverkaufen in ein Bordell in den Armenvierteln, bekanntlich nahmen die Kerle dort alles, was ihnen geboten wurde…
Schweigend hatte Debora auf dem kleinen Holzschemel gesessen, während eine dunkelhäutige Frau sie wusch und anschließend ihren Rücken verarztete. Als die Fremde sich vor ihr niederließ und begann, ihre Fußsohlen mit Bimsstein abzureiben, wagte sie zu fragen: „Warum bin ich hier? Was habt ihr mit mir vor?“
Die Nubierin lachte und ließ dabei ihre großen weißen Zähne sehen. „Du bist Herrin Itakaiets neuestes Schmuckstück, Kleine! Das war ich auch mal – aber dieser Zustand ist ja leider nichts, was andauert! Aber im Allgemeinen sind die Kunden besonders spendabel, wenn es um das erste Mal geht… Und ich werde dir alles beibringen, was du wissen musst, um diese schwanztragenden Dummköpfe um deinen kleinen Finger zu wickeln! Die Männer sind nämlich Dummköpfe, musst du wissen! Sie plustern sich gern auf, wie ein Gockel auf dem Mist, aber eigentlich…“
Debora hörte nicht länger zu. Ihr Bewusstsein begann sich auf die Frage zu konzentrieren, wie sie von diesem Ort entkommen könnte. Als sie endlich wieder allein war, riss sie an der Tür – aber natürlich war sie verschlossen. Ein hastiger Blick ging in Richtung des Fensters. Doch die Lichtöffnung in der Mauer bestand nur aus zwei ausgesparten Ziegeln. Nicht einmal sie würde sich da hindurch zwängen können. Und die Wände waren fest gefügt und verputzt, widerstanden ungerührt ihren dagegen hämmernden Fäusten. Die Decke des kleinen Raumes gab ebenso wenig Hoffnung auf eine Fluchtmöglichkeit. Debora hockte sich entmutigt auf den Boden. Niemand würde sie vermissen, niemand sie suchen! Ihr Vater war tot, alle – nein, sie durfte und wollte nicht daran denken! Sie musste allein einen Weg heraus finden!
Iny musterte den dickleibigen, schwitzenden Wesir, der vor ihm saß, und stellte sich mit kindlicher Freude vor, ihn über den Trainingsparcours der Soldaten zu jagen. Es dauerte einen Moment ehe er sich auf das konzentrieren konnte, weswegen er den Wesir eigentlich zu sich befohlen hatte.
„Ich, Ramses, Sohn Amun-Ras, Herr der beiden Länder, befehle Folgendes…“
Der Schreiber hielt eifrig die ersten Zeilen fest und der Wesir hüstelte.
„Folgendes… Die Diener des Amun von Ipet-Isut sollen sich von nun an allein dem Gottesdienst widmen und keine Ämter bei Hofe oder in der Verwaltung innehaben…“
„Dein Wunsch ist von erhabener Größe, wie jeder Wunsch aus dem Munde des Goldenen Horus“, säuselte der Wesir, wobei seine ganze Haltung eher das Gegenteil von seinen Worten zum Ausdruck brachte. Er hielt diese Idee sogar für ausgesprochenen Unsinn! „Aber… Erhabener, gedenke, wer soll die Ämter besetzen, wenn du die Diener Amuns aus ihnen vertreibst? Wer besitzt die Gelehrsamkeit, um die Pflichten in der gleichen Weise zu erfüllen? Und… überdies… die Privilegien, die dein Vater – er lebe ewig – dem Tempel vermacht hat…“
„Ich denke an die Privilegien! Ich denke vor allem, es sind zu viele Privilegien über all die Jahrhunderte gewesen!“
Der Wesir meinte ganz deutlich den Oberpriester des Ptah hinter diesen Worten zu vernehmen und seufzte im Stillen. Die Zahnschmerzen, die ihn seit letzter Nacht plagten, schienen sich bei diesen Überlegungen noch zu verschlimmern.
„Du willst Amun seiner Herrschaft über die beiden Länder berauben?“ fragte er vorsichtig.
„Kann man einem Gott die Herrschaft nehmen? Seinen Dienern nehme ich sie!“
„Das ist gleichbedeutend. Wer die Diener der Götter beleidigt, beleidigt die Götter selbst!“
Der Blick des jungen Pharao wanderte über das runde Gesicht des Wesirs zu dem erwartungsvollen Schreiber. Er war diesem Labyrinth aus Worten einfach nicht gewachsen! „Geht! Ich habe genug jetzt!“ rief er unwirsch und stand so rasch auf, dass er den Fußschemel dabei umstieß. „Kahotep soll zu mir kommen!“
„Wie es dein Wunsch ist!“ Der Wesir erhob sich mit sichtlicher Mühe und einem verhaltenen Ächzen.
Wenig später gebot Iny-Ramses dem Oberpriester des Ptah, sich zu setzen. Gehorsam hockte sich Kahotep vor dem Thron nieder.
„Horus schenke dir ein langes Leben!“
„Kahotep. Erinnerst du dich noch an deinen Rat?“
Der Oberpriester fühlte Kälte in sich aufsteigen. Beabsichtigte der Pharao, ihn zu strafen? Einerlei, er würde nicht seine Überzeugung verraten, um sein Leben zu
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