Der Skorpion von Ipet-Isut
strafen? Nun gut, so sicher war er sich dabei nicht; ihre persönlichen Launen hatten bei Nefertari stets vor politischen Notwendigkeiten rangiert...
Spare dir deine Eifersucht, wandte er sich in Gedanken an sie, nicht ohne beißenden Spott auf sich selbst. So wie Debora mich behandelt ist deine Sorge unbegründeter als hättest du mich in die Einsamkeit der Wüste verbannt!
Er holte tief Atem und wandte sich seinem Kundschafter wieder zu: „Hat der Wesir mit General Sobekemsaf gesprochen, Djehuti?“
„Ich habe gesehen, wie er zu ihm gegangen ist, konnte ihm aber nicht folgen, weil Seine Majestät mich sehen wollte.“
„Ah ja. Ich nehme an, du hast ihm berichtet, unter welch unsäglichen Schwierigkeiten du wieder Nachrichten über mein verderbliches Treiben hier in Ipet-Isut gesammelt hast?“
Der junge Kundschafter wusste nie, wie er mit diesem Sarkasmus umgehen sollte. Er fühlte sich wie auf einer schmalen Holzplanke über einem Abgrund – ein nur geringfügig falscher Tritt konnte ihn abstürzen lassen; in diesem Falle in den Kerker!
„Ich habe dem Ruhmreichen Horus gesagt, du seiest sehr beschäftigt mit der Planung des neuen Tempels für Pilak im Süden…“ erwiderte Djehuti nervös.
„Gut. Es gibt wahrscheinlich nichts, was ihn weniger interessiert!“
Amenemhat verschränkte die Arme hinter dem Rücken und starrte in die Nacht. Er hätte zu gern Einzelheiten über das Gespräch des Wesirs mit dem General erfahren. Aus einer anderen Quelle wusste er, dass es Unmut innerhalb der Truppen gab. Einige Offiziere beklagten die Langeweile und die Untätigkeit des Pharao, während eigentlich Aufgaben – und die Hoffnung auf reiche Plünderungen – anderswo warteten. Amenemhat hoffte, dass General Sobekemsaf es bewerkstelligen könnte, Iny aus der momentanen Lethargie zu reißen und zu einer militärischen Expedition zu bewegen. Wenn es ihm gelang, den Gaufürsten Respekt beizubringen, so würde das hervorragend sein. Fand der Pharao im Laufe der Kampagne den Tod, umso besser…
„Du hast der Königlichen Gemahlin Kiya meine Botschaft überbracht?“ wechselte er scheinbar das Thema.
Djehuti nickte hastig, erinnerte sich dann aber daran, dass in der herrschenden Dunkelheit ja nichts zu erkennen war und beeilte sich zu erwidern: „Ja, Erhabener, selbstverständlich! Sie bat mich auszurichten, das ihr Wohlwollen Amun, seinen Dienern und Tempeln gelte, so lange der Atem des Lebens in ihr weilt.“
Amenemhat lächelte matt. Er hegte keine allzu großen Hoffnungen, dass es Inys junger Frau gelingen könnte, den Pharao umzustimmen, aber in seiner augenblicklichen Lage musste er sämtliche Register ziehen, inklusive Kiya mit einer wohl dosierten Mischung aus Mitleid erregender Verzweiflung und Charme auf seine Seite zu bringen.
Debora hatte das Geschenk im ersten Moment, da sie wieder allein gewesen war, aus dem Fenster werfen wollen, ohne es auch nur an zu sehen. Der Zorn tat gut! Was immer es war, ER hatte es ihr gebracht, und sie wollte nichts aus der Hand, die alles getötet hatte, was sie geliebt hatte! Sie wollte nichts, was mit dem Gift des Skorpions von Ipet-Isut infiziert war!
Aber… wenn er die Wahrheit gesagt hatte? Wenn er nicht schuld am Tod ihres Vaters und all der anderen war? Der Gedanke war plötzlich in ihr, und das Verlangen zu glauben, ebenso. Wenn er die Wahrheit gesagt hatte, dann… Sie brach ab, bevor ihr Geist den nächsten Schritt tun konnte. Nein, er log! Es gab gar keine andere Möglichkeit. Alles, was er tat, war Lüge – Kahotep hatte es gesagt.
Trotzdem betrachtete sie das kleine in Papyrus gewickelte Objekt auf dem Tisch mit wachsender Neugier. Es konnte ihr im Grunde nicht schaden, sich anzusehen, was unter den Papyrusblättern war, sagte sie sich nach einer Weile. Falls ein übler Zauber damit verknüpft war, so war sie gefeit durch das Amulett ihrer Mutter! Sie nahm das Geschenk in die Hand, setzte es dann wieder ab, noch immer unschlüssig, weil sie das Gefühl hatte, ihm einen Gefallen zu tun, wenn sie es auspackte. Andererseits… sie konnte es auspacken und anschließend aus dem Fenster werfen … oder… ihm vor die Füße, wenn er zurück kam, das war noch besser! Mit dieser Überlegung hatte sie endlich eine tragfähige Ausrede vor sich selbst gefunden und zupfte hastig die Umhüllung von dem kleinen Objekt. Während diese raschelnd zu Boden fiel, starrte Debora überrascht und beeindruckt auf das im Lampenlicht glitzernde Etwas in ihrer Hand. Es war
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