Der Skorpion von Ipet-Isut
hätte er einen Ansatzpunkt für diverse Waffen gehabt. So aber kam er sich hilflos vor. Das war etwas, das Amenemhat verabscheute. Genauso wie die Tatsache, dass er sich überhaupt derart intensiv mit diesem Problem beschäftigte – oder nein, das Problem beschäftigte sich mit ihm, so war es eher, musste er sich eingestehen. Debora mischte sich in seine Gedanken und Überlegungen zu allen möglichen Gelegenheiten. Und jetzt… tranken seine Augen ihr Lächeln und er wagte kaum zu atmen. Ob Debora den Blick gespürt hatte, oder ob es Zufall war; jedenfalls drehte sie sich in diesem Moment um und starrte Amenemhat ins Gesicht. Das Mondlicht fing die Veränderung ihrer Züge mit unbarmherziger Klarheit ein. Ihre eben noch so sorglose Unbeschwertheit wechselte in Entsetzen. Sie sprang nicht auf um zu flüchten, sondern blieb am Rand des Beckens sitzen, die Arme fest um den Körper geschlungen, paralysiert vor Angst.
Angst... nicht Hass, dachte Amenemhat, und näherte sich vorsichtig dem fleischgewordenen Rätsel am Becken. Angst war etwas, dass relativ leicht zu besiegen war, mit den richtigen Waffen!
„Eine wundervolle Nacht, nicht wahr?“ sagte er und ließ sich in einiger Entfernung von ihr nieder. Weit genug, dass er sie nicht berühren konnte, aber doch nah genug, um ihren sanften verführerischen Duft riechen zu können. Nah genug, dass er zu kämpfen hatte, seine Selbstkontrolle aufrecht zu erhalten. Er wollte sie, wie er nie zuvor in seinem Leben eine Frau gewollt hatte…
„Ich konnte nicht schlafen.“
„Du kannst auf das Hausdach gehen, wenn es dir in deiner Kammer zu warm ist.“
Sie antwortete nicht, bewegte sich nicht. Ein wenig wie ein kleines Tier in einer Falle, das versucht sich tot zu stellen. Amenemhat suchte einen anderen Ansatzpunkt für ein Gespräch. „Debora… Warum bist du geflohen damals von deinem Hof?“
„Ich bin nicht geflohen. Mein Vater hat mich fort geschickt.“
Um zu verhindern, dass du mir in die Hände fällst? Was hat dieser fremdländische Barbar gedacht, was ich seiner Tochter antun würde?! Was hat er dir gesagt?! „Er hat dir eingebläut, dass ich ein menschenfressendes Ungeheuer bin, ist es so?“
„Ich habe Kahotep gehört, im Ptahtempel.“ Sie hielt den Kopf gesenkt und beobachtete die Wasseroberfläche, über die jetzt einige Moskitos tanzten.
„Damals in West-Waset konntest du mir ins Gesicht sehen, Debora. Nachdem du Kahotep gehört hast, nicht mehr?“
„Kahotep hat mir die Wahrheit über dich gesagt.“
„Die Wahrheit? Wie interessant...“ Trotz seiner Anspannung amüsierte Amenemhat diese Vorstellung in einer bestimmten Weise.
„Dass du den Zorn der Götter auf Kemet herab beschwörst, weil du Unzucht mit der Königin treibst!“ vollendete sie jetzt, presste die Lippen zusammen und starrte in das Dunkel des Gartens wie ein Kind, das hofft, die unangenehme Situation würde vergehen, wenn es sie nicht mehr sah.
„Aha.“
„Oder ist es etwa nicht wahr?!“
Was war das für ein Ton, der da mitschwang? Amenemhat war sich nicht sicher; sie sprach die Worte der Kinder Kemets mit einem ungewöhnlichen Akzent. Und er konnte ihr Gesicht nicht sehen. Mit Sorgfalt konzentrierte er sich auf seine Antwort. Nicht nur, weil es eine heikle Sache war zuzugeben.
„Es ist wahr – aber das ist nichts, was den Oberpriester des Ptah etwas anginge. Ich halte auch keine Predigten über die unglückliche Auswahl seiner weiblichen Gesellschaft. Und glaube mir, die war sehr unglücklich bisher. Meine… Beziehung zu Nefertari hat nichts zu tun mit –"
„Was willst du von mir?“ platzte Debora jetzt heraus und sprang auf. „Das, für was mich Itakaiet ausgebildet hat?“
„Debora…“
„Ich bin nicht deine Sklavin! Auch wenn du mich gekauft hast!“
Sie rannte an ihm vorbei und ins Haus zurück.
Als Debora wenig später Amenemhat eintreten hörte, stellte sie sich schlafend. Den Körper in einer eher unbequemen Position verkrampft, das Gesicht in der Armbeuge, bemühte sie sich um ein gleichmäßiges Atmen, obwohl ihr Herz raste. Sie spürte, dass er sie ansah und führte einen verzweifelten Kampf gegen das Verlangen, sich um zu drehen, seinen Blick zu erwidern. Einen Moment darauf meinte sie, ihr Herzschlag würde ganz aussetzen. Der Hohepriester hatte die Hand ausgestreckt und strich durch ihr Haar.
„Du bist, was du sein willst, Debora. Ich mache dich zur Königin, wenn du es willst.“
Seine Hand glitt tiefer. Das Mädchen
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