Der Skorpion von Ipet-Isut
eine Haarspange aus purem Gold, verziert mit rotem und blauem Glasfluss, der die Form eines Skarabäus bildete, ein Glücks- und Lebenssymbol für die Menschen von Kemet, wie sie wusste. Es war schön. Es gefiel ihr. Und seit langem war wieder ein zögerndes Lächeln auf ihren Lippen zu sehen.
Kapitel 11
Die Geräusche der erwachenden Stadt mischten sich in die schwindende Dunkelheit, als Kahotep sich auf den Weg zum Palast machte. Wagen rumpelten und das Blöken von Schafen, Ziegen und Lasteseln, die von ihren Besitzern zum Markt getrieben wurden, war zu hören. Vor einer der Hausmauern kauerten sich einige Menschen zusammen, die offenbar die Nacht hier draußen auf der Straße zugebracht hatten. Ein kleines Kind weinte und ein Mann blinzelte apathisch in die Gesichter der Vorübereilenden.
„Das Land ist verflucht! Kein Hälmchen wächst dort!“ hörte Kahotep ihn flüstern, und die Frau nickte nur. „Es ist Amun genommen, und der Fluch seiner Diener liegt auf ihm. Es ist gut, dass wir gegangen sind. Lieber Hunger leiden als den Zorn Amuns auf uns laden...“
Vielleicht hätten sie nicht so gesprochen, wenn sie gewusst hätten, dass der Oberpriester des Ptah gerade an ihnen vorbei ging. Vielleicht aber doch, dachte Kahotep bitter. Und möglicherweise hätten sie ihn das sogar spüren lassen. Die Gerüchte und die Angst der Bauern nahmen kein Ende! Er hatte den Landlosen Land und den Hungernden Brot zukommen lassen wollen – und was hatte er erreicht? Dass man mehr oder minder offen munkelte, die düsteren Zeiten von Pharao Echnaton würden zurück kehren, die Sonne würde sich verfinstern und alle Arten von Unheil würden das Land treffen, weil man Ipet-Isut beraubt hatte! Kahotep presste die Zähne so fest aufeinander, dass es ein knirschendes Geräusch gab. Er war sicher, dass Amenemhat seine Finger im Spiel hatte dabei!
Unachtsam wäre er beinahe im Dungfladen eines Esels ausgeglitten, konnte sich gerade noch an der Hausmauer abfangen. Diese ganze Stadt ist voller Schmutz, voller Gift, schoss es ihm zornig durch den Kopf, während er seine Sandalen versuchte zu säubern. Der Pharao, der Hof, alle müssten Waset verlassen, das verseucht war durch den Skorpion von Ipet-Isut! Sie müssten neu anfangen, auf einem unbefleckten Stück Land, fern seiner Reichweite! Der Gedanke, der sich in Kahoteps Geist zu formen begann, ließ ihn rascher ausschreiten. Er würde Ramses von der Idee erzählen, die Ptah ihm eben eingegeben hatte!
Iny-Ramses war übellaunig aus den königlichen Ställen zurück gekehrt. Es hatte am gestrigen Tag eine Lieferung neuer Pferde für seinen Jagdwagen eintreffen sollen; besonders gute Ware aus Syrien. Doch es hieß, unterwegs seien die Tiere leider erkrankt und so schwach gewesen, dass der Eigner ihnen nur noch den Gnadenstoß hatte geben können. Der junge Pharao schenkte diesem Bericht keinen Glauben. Viel eher war er geneigt anzunehmen, dass seine syrischen Bundesgenossen ihn an der Nase herum führten. Vielleicht sollte er die Beziehungen ganz und gar abbrechen? Schon deshalb, weil der Wesir ihm ständig vorhielt, wie wichtig die Syrer waren, um die Gaufürsten und die Libyer in Schach zu halten! Sein Berater Kahotep war der Meinung, dass der Wesir nur ein Handlanger des Hohenpriesters aus Ipet-Isut war… Seine Familie war weit verzweigt und zu einflussreich, um ihn verbannen zu können. Aber Iny traute ihm nicht. Hatte der Wesir nicht auch eine syrische Nebenfrau?
Der Pharao warf einem der im Vorraum zu seinen Gemächern wartenden Diener einen wütenden Blick zu. Der Mann eilte, um die Türflügel vor seinem Herrn zu öffnen. Zu Inys Überraschung wartete der Oberpriester des Ptah auf ihn. Mit wenig Lust auf eine Unterredung zu dieser Stunde grüßte er seinen Berater und ließ sich dann in einen der kissenbelegten Stühle fallen.
„Großer Horus“, begann Kahotep, „der Boden und die Luft Wasets sind nicht länger heilig, wie es einst der Fall war. Im Gegenteil. Sie sind verunreinigt und verdorben, vergiftet vom Hauch unreiner Dämonen! Hier kann nichts Gutes mehr wachsen! Kein Getreide – du siehst es selbst – und kein Glück unter den Menschen. Du, der Sohn Amun-Ras solltest deinen Thron an einen neuen und von den Intrigen aus Ipet-Isut unbefleckten Ort aufrichten.“
Er blickte den Pharao erwartungsvoll an. Auf eine ganze Reihe Argumente zur Verteidigung seines Vorhabens hatte er sich vorbereitet. Aber Iny ließ seinen Blick den aufsteigenden Gänsen
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