Der Skorpion von Ipet-Isut
letzten Gesandten aus Syrien einfach davon zu schicken ohne sie zu beachten. Der junge Pharao hatte ganz einfach keine Lust gehabt, sich mit ihnen zu beschäftigen, das war nur zu deutlich gewesen. Er war mit den Gedanken bei einem geplanten Jagdausflug oder im Harem oder die Götter mochten wissen, wo! Nur nicht bei den Anliegen des Reiches! Viel zu viel überließ er dem Wesir, der sich bereicherte, wie Kahotep genau wusste. Und ein Teil der Gelder, die er zur Seite schaffte, wanderte nach Ipet-Isut!
Kahotep stockte in seinen Gedanken, als er an der gegenüberliegenden Mauer die Gestalt einer Frau entdeckte. Ihre Haltung kam ihm bekannt vor. Auch ihr Duft, der mit einem sanften Abendwind zu ihm getragen wurde. Er wollte sich zwingen, weiter zu gehen, doch stattdessen fand er sich die Frau anstarrend wieder.
„Itakaiet…“ war alles, was er zu sagen fähig war. Seit damals in ihrer Schenke hatte er sie nicht wieder gesehen. Jetzt merkte er zu seinem Unmut, dass ihr Anblick ihm noch immer den Atem nahm, trotz allem, was geschehen war.
Sie wandte den Kopf, musterte ihn ebenfalls, und der Priester wunderte sich, dass sie mit keiner spitzzüngigen Bemerkung aufwartete.
In diesem Moment tauchten zwei Gardisten auf ihrem Rundgang auf und Kahotep beeilte sich, seinen Weg fort zu setzen. Itakaiet entschwand wenig später. Der Pharao beschäftige sich heute Nacht ‚anderweitig’, hatte eine allzu hämische Dienerin ihr zugeflüstert. Nun, seine hässliche Gemahlin würde ihn kaum beanspruchen, dachte Itakaiet sarkastisch, DIE war keine Konkurrenz! Aber sie hatte die widerlich aufdringliche Nubierin in Verdacht… Die Besuche im Palast begannen allmählich an Reiz zu verlieren. Vielleicht war das der Grund, dass sie sogar zu apathisch gewesen war, um eben etwas zu Kahotep zu sagen. Nun, einerlei! Itakaiet hob entschlossen das Kinn, als sie aus dem Palasttor schritt. Wenn Ramses sie nicht mehr wollte, dieser aufgeblasene Gockel – es fanden sich gewiss genug Männer in Waset, die bereit waren, für ihre Gunst viel zu bezahlen!
Ein etwa zehnjähriger Junge durchquerte den Garten des königlichen Palastes, ohne das die nubischen Gardisten oder die mit der abendlichen Säuberung der Wege beschäftigten Diener auf ihn aufmerksam wurden. Mit einem letzten sicheren Sprung brachte das Kind die Treppen zum südlichen Palastflügel hinter sich und verschwand hinter den wehenden, bestickten Vorhängen in den Gemächern der Königsmutter.
Nefertari hatte bereits ungeduldig gewartet. Sie saß allein auf ihrem Bett, hatte die Dienerinnen schon vor einer geraumen Weile hinaus gesandt unter dem Vorwand, Kopfschmerzen zu haben und schlafen zu wollen.
„Nun, hast du ihn gesehen? Und diese... Debora?“ wisperte sie dem Kind zu, das mit wachen Augen zu ihr aufsah. Der Junge war der Sohn einer ihrer Zofen. Ein schlaues kleines Kerlchen, das schon wusste, wann und wie man sich beliebt machte bei Hofe und – wie man unauffällig spionierte.
„Ja, Herrin“, antwortete er. „Der erhabene Erste Gottesdiener lässt sie in seinem Haus wohnen. Sie ist eine Fremdländerin, mit roten Haaren...“
Rot? Die Farbe des Gottes Seth des Verfluchten! Nefertaris Widerwillen wuchs um einen weiteren Grad. Mit solch Einer vergnügte sich Amenemhat also!
„Und? Besucht er sie des Nachts? Teilen sie ihr Lager? Was hast du gehört?“
„Er besucht sie, Herrin, aber nur tags. Weil sie noch krank ist. Man sagt, der Erhabene hat sie aus einer Schenke mitgebracht.“
„Aus einer Schenke! Eine Hure aus einer Schenke!“ Nefertari konnte nicht mehr an sich halten. Natürlich war sie in all den Jahren ihrer Beziehung zu Amenemhat nicht die einzige Frau geblieben, mit der er sich die Zeit vertrieb. Sie wusste, dass er sich die eine oder andere Tempelsängerin genommen hatte – aber das waren Kleinigkeiten, kurzzeitige Gelüste, an denen er meistens am nächsten Morgen schon wieder jegliches Interesse verloren hatte.
So belanglos wie ihre eigenen Liebeleien mit dem Kommandanten ihrer nubischen Garde. Geschehen aus Langeweile, oder weil sie Amenemhat ärgern wollte, wenn er ihr ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit schenkte. Sie hatten den Tiefgang des Zuleitungskanals zum Palastteich. Sie dachte nicht einen winzigen Augenblick an Kemar, wenn Amenemhat bei ihr war, nicht einen Windhauch! Ganz offensichtlich war es mit ihm und dieser rothaarigen Schlampe etwas Anderes! Er war genug in sie vernarrt, um ihren Namen zu flüstern in einem
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