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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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sein und ihr einen freundlichen, sanften Gemahl schenken? So wie Kahotep vom Tempel des Ptah vielleicht? 
    Kiya griff nach der Weinschale und ließ sich nachschenken. Doch dann trank sie lieber nicht, aus Furcht, sie könne völlig betrunken werden und sich vor den Gästen in aller Öffentlichkeit entleeren müssen. Ramses’ Lachen klang wieder durch den Saal. Alle anderen Gäste waren guter Dinge und lachten; Kinder tobten durch die Sitzenden, warfen sich Granatäpfel zu. Dienerinnen verteilten neue duftende Blütenketten und Salben an die Gäste. Kiya sah, wie die Königsmutter Nefertari die Feiernden verließ und folgte neidvoll und wehmütig ihren grazilen Bewegungen. Mit einem Seufzer wendete sie den Kopf in die andere Richtung, nur um mit zu bekommen, wie Ramses eine dunkelhäutige Dienerin um die Hüfte packte und an sich zog. Nun rannte die junge Braut doch hinaus an die frische Luft. Die Beine eng an den Körper ziehend hockte sie sich unter eine der großen Sykomoren und schluchzte. Sie wollte nur noch nach Hause, aber das würde nie mehr geschehen! Bis in alle Ewigkeit war sie hierher verbannt!
    Auf die flüsternden Stimmen in einem Raum ganz in ihrer Nähe achtete Kiya nicht. Hätte sie gewusst, wem sie gehörten, hätte sie sich vielleicht neugierig heran geschlichen. So aber verloren sich die Worte im Rascheln der vom Wind bewegten Zweige.

    Nefertari sah aus dem Fenster und machte eine Kopfbewegung in Richtung des nicht allzu weit entfernt am Boden kauernden Mädchens. „Sieh sie dir an, Amenemhat! Was für eine traurige Figur! Konnte Kahotep keine Bessere für meinen Sohn finden? Das macht ihn ja zum Gespött!“
    Der Hohepriester antwortete nicht. Zum ersten und einzigen Mal fühlte er eher so etwas wie Genugtuung über eine Wahl, die der Oberpriester des Ptah getroffen hatte. Dass die junge Frau dem Pharao so bald einen legitimen Erben schenkte, gehörte nicht gerade zu seinen dringendsten Wünschen…
    Darüber hinaus würde Ramses sicherlich nicht an Langeweile eingehen. Amenemhats Gedanken wanderten zu Itakaiet, die dem Fehlschlag ihres ursprünglichen Auftrags zum Trotz den Palast immer noch frequentierte, und jener nubischen Dienerin, die offenbar im Augenblick die Favoritin von Inys pubertären Launen war…
    Nefertari ließ sich auf der Bank nieder, auf der gewöhnlich Ölkrüge bereitstanden. Doch das Fest hatte dafür gesorgt, dass alle Vorräte benutzt worden waren. Sie rekelte sich wie eine Katze und schlang ihre reifengeschmückten Arme um Amenemhats Hüften. Für einen kurzen Moment ließen die aufgestellten Fackeln ihre Körperformen durch das hauchdünne Gewand schimmern und in ihren grün umschminkten Augen tanzten Lichter. Amenemhat spürte ein Verlangen in sich, wie er es seit einigen Jahren nicht mehr wahrgenommen hatte. Aber es galt nicht der Frau, der er jetzt das Gewand von den Schultern streifte. Er stellte sich vor, dass es Deboras Feuerhaare waren, durch die seine Finger spielten, ihr Körper, der sich an ihn presste und ihre Lippen, die auf seine hungrigen Küsse antworteten.

    „Wer ist diese Schlampe?“ fragte Nefertari, sich eine geraume Weile später von ihrem Liebhaber herunter rollend. Das Licht der letzten halb abgebrannten Fackel glänzte auf ihren nackten Schultern und den in ihr Haar geflochtenen Goldplättchen. Der Gesichtsausdruck, mit dem sie Amenemhat bedachte, hatte etwas Lauerndes.
    „Wer?“ fragte er, dabei, den Schurz wieder um seine Hüften zu legen.
    „Die Frau, deren Namen du geflüstert hast, eben! Hast du gedacht, ich höre das nicht? De-bo-ra! Wer ist sie?“
    „Du wirst mir nicht vorhalten, etwas Zerstreuung abseits von deiner Habgier zu suchen, oder, Nefertari? Nichts anderes, was du nicht auch tust.“
    Sie schob ihr Kinn vor und musterte ihn. O doch, es war etwas anderes! Ihr weiblicher Instinkt reagierte mit höchster Alarmbereitschaft. 
    „Ist sie es, wegen der du letzte Woche Ramses‘ alten Leibarzt nach Ipet-Isut gerufen hast?“ 
    „Du hast keinen Grund, irgendetwas zu argwöhnen. Sie ist niemand. Eine Sklavin, mit der ich meinen Spaß hatte, nichts weiter“, erwiderte er mit einem raschen Blick aus dem Fenster und zum Himmel. „Ich muss jetzt gehen, ich habe Pflichten zu erledigen.“
    Aber in Nefertari hatte sich nicht nur Argwohn, sondern Eifersucht eingenistet.

Kapitel 10

    Es dunkelte, als Kahotep den Rückweg aus dem Palast zum Tempel antrat. Es hatte ihn den ganzen Nachmittag gekostet, den Pharao davon abzuhalten, die

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