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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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nun war es bereits nach Sonnenaufgang…
    Sie starrte auf das Dach des Pylons, bis ihre Augen schmerzten. Nein, sie wollte ihn nicht sehen, sie wollte nicht an ihn denken, nie wieder! Aber es dauerte eine Weile, bis der Befehl aus ihrem Kopf in ihren Füßen angelangt war. Langsam drehte sie sich wieder Richtung Weg, machte die ersten Schritte fort von Ipet-Isut. 
    Plötzlich waren vom Fluss her aufgeregte Stimmen und Schreie zu hören waren. Wortfetzen erreichten sie. 
    Krokodile!
    Ein Krokodil hatte jemanden gepackt!
    Debora lief los, gefolgt von einem der Tempeldiener, die hier draußen mit Säuberungsarbeiten beschäftigt gewesen waren. Aus dem Schilf gestikulierten Fischer, einer versuchte offenbar in aller Hast, sein Boot los zu machen. Debora entsann sich an schreckliche Unfälle mit den schuppigen Reptilien. Eines der Kinder der Knechte auf dem Hof ihres Vaters war so umgekommen… Nur noch ein paar zerfetzte blutige Überreste waren den trauernden Eltern geblieben…

    Amenemhat hielt mit einem Arm den Rachen des größeren Krokodils umklammert, aber das zweite Tier näherte sich erneut, unbeeindruckt vom Brüllen der Leute am Ufer. Ein Fischer auf einem der Binsenboote schlug mit der Stake ins Wasser, hoffend, wenigstens eines der hungrigen Raubtiere zu vertreiben. Doch dieses war zu schnell und zu kräftig, riss ihm die Stake so abrupt aus den Händen, dass er beinahe hinterher gestürzt wäre und griff an. Amenemhats Griff lockerte sich, er geriet unter Wasser und war für einige Momente aus den Augen der Menge verschwunden. Aufgeregt drängten sich weitere Menschen heran. Manche warfen Steine, um die Reptilien zu verscheuchen. Doch die Blutspur, die sich unterdessen durch das Wasser zog, reizte ihre Gier zu sehr, um von der Beute abzulassen.

    Debora erblickte die grün schimmernden Rücken der Krokodile, das spritzende Wasser. Einen Moment später erkannte sie, wer da in Gefahr war. Sie begann zu zittern. Die erschrockenen Schreie der Leute ringsum bohrten sich wie Nadeln in sie. Eigentlich wollte sie nichts sehen, wollte fliehen – aber ihre Beine fühlten sich mit einem Mal an, als könnten sie sie keine Spanne weit tragen. Der Tempeldiener hastete an ihr vorbei. Er packte Steine und Lehm, was ihm gerade unter die Finger kam und schleuderte es in den drohend aufgesperrten Rachen des einen Krokodils. Ein anderer Mann griff geistesgegenwärtig die im Wasser treibende Stake des Binsenbootes, hieb sie dem Tier wieder und wieder in die Flanke, bis es zurück wich. Eine Atempause! Lang genug, dass helfende Hände Amenemhat aus dem Wasser ziehen konnten. 
    Die Leiber der wütenden Reptilien zuckten in den aufgepeitschten Fluten und versuchten, an Land zu kommen und die entrissene Beute doch noch zu schnappen. Aber diese Gelegenheit ließ man ihnen nicht.
    Debora verfolgte das Geschehen wie gelähmt. Amenemhat war verletzt. Die Zähne des einen Krokodils hatten sich in seinen rechten Unterschenkel gegraben und Blut rann über die Hände der Helfer und in Sand und Gras. Der Blick aus seinem schmerzverzerrten Gesicht traf Debora wie ein Schlag. Debora wollte etwas sagen, nein, rufen! Der Schrei ballte sich in ihrer Kehle. Aber sie brachte keinen Laut heraus. Sie sah, wie sich Amenemhats Lippen bewegten, aber erst als die Helfer ihn an ihr vorbei trugen, konnte sie die Worte verstehen.
    „Du hast dein … Geschenk… dein Brautgeschenk … für Kahotep!“

Kapitel 13
    Kiya war aufgeregt. Heute würde sie in die Laube ziehen, die für die schwangere Königin im Palastgarten errichtet war. Es handelte sich um ein leichtes, lichtdurchwobenes Bauwerk, ausgerichtet auf größte Bequemlichkeit seiner Bewohnerin. Kiya legte die Hände auf ihren Leib. Noch war die Rundung kaum zu spüren. Aber wie viele Gefahren drohten dem jungen Leben bereits! Der böse Blick konnte sie treffen, neidische Dämonen Krankheit bringen…
    An den Pfosten der Laube und an ihrem Bett würden die aufgemalten Horusaugen die bösen Mächte fernhalten, beruhigte sie sich. Außerdem hatte der Hohepriester des Amun ihr damals seinen Segen gegeben, als sie nach Waset kam!
    Zwei Dienerinnen traten ein. Sie waren im selben Alter wie die junge Königin, aber die strenge Etikette verhinderte ein ungezwungenes Beisammensein. Mit der Ernsthaftigkeit einer religiösen Übung begannen die Mädchen, Kiya zu frisieren. Sie flochten ihr Haar zu einem strengen Zopf, denn alles an der werdenden Mutter musste ‚fest gebunden’ sein, damit sie nicht etwa

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