Der Skorpion von Ipet-Isut
abzuweisen war sicherlich keine gute Idee! Immerhin hatte sie schon einmal seine Erwartungen nicht erfüllt!
„Verschwinde, los!“ zischte sie den Höfling an und machte eine Bewegung, als wolle sie Fliegen verscheuchen.
„Was soll das? Wir haben ein Geschäft gemacht!“
„Raus! Oder...ich lasse es deine Frau wissen!“
Unter wütendem Gemurmel und Verwünschungen raffte der Höfling sich auf. Als er aus der Kammer war, öffnete Itakaiet die Hintertür.
„Mein Herz ist glücklich, dich hier zu sehen, Erhabener! Ich werde -“
„Schweig! Ich bin nicht hier um zu reden!“ Er warf einen goldenen Armreif vor ihr auf den Boden. „Das ist meine Bezahlung! Erweise dich ihrer würdig!“
„Ich werde Khenti befehlen, uns etwas Wein zu bringen.“ Itakaiet wandte sich zur Tür, aber ehe sie sie erreichte, hatte Amenemhat sie gepackt. Er warf sie auf das Bett, riss ihr das Kleid so heftig vom Körper, dass der dünne Stoff in Fetzen ging.
„Lass mich diese verdammte Fremdländerin vergessen!“
Sie hörte die Verzweiflung in seiner Stimme und rang sich ein Lächeln ab. Er war nicht interessiert an ihren Kunstfertigkeiten, er wollte jemandem wehtun. Nicht ihr im Grunde vielleicht – aber sie stand gerade in seinem Weg. Männer in einem Gemütszustand wie dem seinen waren zu allem fähig, das wusste Itakaiet. Sie ließ sich rücklings fallen, versuchte ihre instinktive Abwehrreaktion unter Kontrolle zu halten. Sie wollte nicht mehr Blessuren davon tragen, als sie diese Nacht vermutlich ohnehin kosten würde…
Am nächsten Morgen durchquerte Amenemhat den Hinterhof von Itakaiets Schenke und verließ die Stadt durch das Viehtreiber-Tor, nicht darauf aus, von irgendjemandem hier gesehen zu werden. Unten am Fluss balgten sich einige Knaben und die Wäscherinnen waren bei der Arbeit. Aber niemand sonst war da, der ihm Beachtung geschenkt hätte, wie er erleichtert feststellte. Rasch knotete er seinen langen Schurz hoch, sah sich nochmals um und tauchte dann ins Wasser. Er war ein geübter Schwimmer und die Strecke von der Stadt zum Tempel hatte er schon oft bewältigt. An diesem frühen Morgen brauchte er ganz einfach Abkühlung, um seine Gedanken wieder ordnen zu können und seinen Adrenalinspiegel auf ein erträgliches Maß zu reduzieren…
Debora wollte nichts von ihm wissen – gut, sollte sie! Er würde ohne sie auskommen! Sich keinesfalls noch länger und noch tiefer erniedrigen! Er würde nicht um ihre Gunst betteln! Er konnte jede Frau in ganz Kemet haben, die er wollte, und er würde sie sich nehmen! Sollte sie doch sehen wo sie blieb, mit ihrem so vergötterten Kahotep! Lächerlich!
Mit kräftigen Stößen hielt er Ipet-Isut zu und fand sich unvermittelt dem knapp über die Wasseroberfläche ragenden Schuppenkopf eines Krokodils gegenüber. Blitzschnell drehte er sich, wollte tauchen, doch ein zweites der gewandten Reptilien teilte neben ihm die Fluten. Der heftig peitschende Schwanz versperrte ihm den Rückzug. Er wusste, dass sein Überleben jetzt einzig und allein von der Schnelligkeit seiner Reaktion abhing. Er warf sich zur Seite, nur eine Spanne weit von den Zähnen des einen Krokodils entfernt, stieß mit aller Kraft dem zweiten, größeren Tier die Faust in den schmutzig-gelben Unterleib. Es krümmte sich, fauchte und riss den Kopf aus dem Wasser. Der Hohepriester machte einen ausgreifenden Schwimmzug, um der Reichweite des gepanzerten Schwanzes zu entgehen. Aber die Reptilien waren rasch wieder hinter ihm. Allzu rasch.
Debora stand knapp außerhalb des Haupttores von Ipet-Isut und sah sich um. Erneut. So entschlossen sie letzten Abend gewesen war, diesem Platz den Rücken zu kehren, nun waren ihre Gefühle zwiespältig. Die Fragen und Gedanken, die sie seit Wochen in den hintersten Winkel ihres Geistes verbannt zu haben glaubte, pochten plötzlich Aufmerksamkeit heischend in ihrem Kopf. Sie war den Weg zum Tor langsam gegangen, vorbei an den Plätzen, die sie so mit Staunen erfüllt hatten, als sie sie zum ersten Mal gesehen hatte.
„Kahotep. Ich gehe zu Kahotep“, wiederholte sie sich immer wieder im Geiste, aber die Beschwörungsformel schien mit einem Mal ihre Kraft eingebüßt zu haben. Sie stand hier, blickte zurück auf den Pylon. Stand Amenemhat vielleicht dort? Sie hatte die ganze Nacht gewartet, dass er zurück kam. Erst hatte sie es gefürchtet, seine Schritte wieder zu hören, und dann hatte sie darauf gehofft. Aber er war nicht heim gekehrt. Bis zum Morgen nicht. Und
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