Der Skorpion von Ipet-Isut
außerhalb dieser Kammer vorüber, während er hier lag, nur noch ein paar Stunden des Tages bei halbwegs klarem Bewusstsein…
Kahotep! … Debora! Lag sie unterdessen schon in SEINEN Armen? Du Schakal! Du Sohn einer räudigen Ratte! Senmuts heiliger kleiner Lieblingszögling! Du wirfst Kemet seinen Feinden in den Rachen!
Während dieser Gedanken zerfaserte sein Geist in einem halbwachen Zustand, aus dem ihn erst eine unbestimmbare Zeit später von einer unerträglichen Hitze geweckt wurde. Er hatte das Gefühl, in einen glühenden Brennofen getaucht zu werden, kopfabwärts, dem Dröhnen in seinem Schädel nach zu urteilen. Stimmen flossen um ihn, in denen er sehr deutlich Kahoteps Tonfall zu erkennen glaubte.
Er sah seinen Kontrahenten aus dem Dunkel auf ihn zutreten und lächeln, die Hand nach ihm ausstrecken…
aber nein, das war nicht Kahoteps Hand, das waren die Greisenfinger des sterbenden Senmut!
„Du bist verflucht… und deine Seele wird in ewiger Finsternis wandeln…“
Amenemhat bäumte sich mit einem Keuchen auf, schloss die Hände um den Hals des Alten, versuchte, dessen Worten ein Ende zu bereiten – und fand sich von mehreren Händen zurück auf das Bett gedrückt.
Er blinzelte. Senmuts Züge waren verschwunden, stattdessen beugte sich Menkheperre über ihn.
„Amenemhat? … Hörst du mich?“
Er konnte nicht antworten. Senmut hatte einen Strick um seinen Hals geschlungen und zog ihn fester und fester. Lass mich los… lass mich los…
Aber Senmuts Greisengesicht war wieder über ihm und lächelte, ehe sich die Gluthitze des Brennofens wieder um ihn schloss.
Nefertaris kindlicher Kundschafter war zum wiederholten Male in den letzten beiden Tagen über die Balustrade und hinauf in ihre Gemächer geklettert.
„Wie geht es Amenemhat?“ fragte sie, sich seit geraumer Zeit keine Mühe mehr gebend, ihre Sorge zu verschleiern. Dafür fehlte ihr unterdessen die Kraft. Der Junge vor ihr hatte ihre Wutausbrüche gegen die rothaarige Fremdländerin mit dem abscheulichen Namen Debora miterlebt, und nun ihre Angst.
„Ich habe die Totengesänge noch nicht gehört, Herrin. Aber als ich fort bin aus Ipet-Isut heute, sah ich den Vierten Gottesdiener mit dem Arzt sprechen. Sie machten beide ein ernstes Gesicht.“
„Und du hast nicht gehört, was sie gesagt haben?“ Das Kind vor ihr neigte entschuldigend den Kopf.
„Nur, dass der Erhabene seit zwei Tagen nicht aufgewacht sein soll, Herrin…“
Nefertari presste die Lippen zusammen. Es stand schlecht um Amenemhat, das wusste sie genau. Und es machte sie verrückt, ihn nicht besuchen zu können. Bei den Göttern ober- und Unter-Kemets, was, wenn er STARB?! Und sie saß hier und musste dem sinnlosen Geplapper ihrer Hofdamen zuhören! Zu keinem Anlass und für keine andere Person hatte sie je solche Sorge empfunden. Die allzu große Nähe zu Alten, Kranken oder Sterbenden hatte sie immer mit Abscheu und Furcht erfüllt. Aber jetzt hätte sie Pretiosen darum gegeben, an Amenemhats Seite zu sein… Sie war sogar bereit, ihm diese Fremdländerin zu vergeben; alles wollte sie ihm vergeben, wenn er nur überlebte! Später würde sie dann dafür sorgen, dass er die kleine Schlange Debora vergaß! Bei Usire, sie konnte sich nicht vorstellen, ohne ihn zu sein! Er hatte mehr oder minder ihr Leben geteilt, seit sie vor knapp 20 Jahren nach Waset gekommen war, um den alten Ramses zu ehelichen! Nein, sie konnte Amenemhat nicht verlieren!
Noch heute wollte sie wenigstens dem kleinen Tempel des Krokodilgotts Sobek eine reichhaltige Gabe überbringen lassen und um die Gesundung des Hohenpriesters beten. Es war alles, was sie derzeit tun konnte.
Durch den Hof des Ptahtempels klangen die Geräusche von eifriger Arbeit. Es hämmerte und schliff an allen Ecken und Handwerker mit allen Arten von Werkzeugen liefen umher; Maurer verputzten Wände und Maler besserten die farbige Gestaltung aus. Pharao Ramses hatte dem Haus Ptahs reiche Geschenke gemacht. Die Flüchtlinge, die hier noch im Hof lagerten, bemühten sich, den Arbeitern den notwendigen Raum zu geben, aber es blieb nicht immer ohne Reibereien. Gerade eben hatte wohl eines der Kinder einen Topf mit Verputz umgeworfen. Grauweiße Fußstapfen führten vom Tatort hinter eines der Flüchtlingszelte, und ein junger Arbeiter schimpfte.
Debora lächelte unwillkürlich, das erste Mal, seit sie vor zwei Tagen wieder hier her gekommen war. So viel hatte sich also doch nicht verändert in den letzten
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