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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Napp
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das Kind vorzeitig verlor. Unerwartet trat Ramses in das Gemach seiner Frau. Er lächelte ihr zu und Kiya fragte sich, wann er sie das letzte Mal freundlich angeblickt hatte. Während sie die Dienerinnen fortschickte entschied sie: noch niemals! Zumeist hatte Ramses sie überhaupt nicht beachtet und diese Missachtung hatte in der jungen Frau ein Gefühl schuldhaften Versagens ausgelöst. Sie war einfach nicht das, was der Pharao sich wünschte!
    In der ersten Nacht nach der Hochzeit hatte Ramses sie rasch und fast gewaltsam genommen, wie eine lästige Pflicht. Den halben Tag darauf hatte Kiya geweint und sich heftige Vorwürfe gemacht. Das nächste Mal war er so betrunken gewesen, dass er später auf ihr einschlief.
    Und nun… trug sie ein Kind von ihm. Alles würde anders werden! Nun würde er sie lieben und achten!
    Begleitet von einem Segensspruch legte der Pharao seiner Frau das Amulett der Nilpferdgöttin um den Hals, der Schutzpatronin für eine gute Geburt.
    „Ich will, dass es ein Knabe wird!“ erklärte er dabei im Befehlston.
    Kiya sah auf das funkelnde Schmuckstück. Oh, sie wollte beten, dass es ein Thronfolger werden würde! Ramses’ Wut war nicht auszudenken, wenn sie einem Mädchen das Leben schenkte, da war sie sich sicher! Es würden weitere grauenvolle Nächte werden…
    Der Pharao war bereits aus dem Raum, als sie aufsah. Sie hörte, wie draußen sein Berater zu ihm trat und noch den Beginn von dessen Rede, ehe sich die beiden Männer zu weit von ihr entfernt hatten:
    „Majestät, ich kann nur an deine Weisheit als Herrscher der beiden Länder appellieren“, waren Kahoteps Worte, „…einen neuen Hohepriester für Ipet-Isut einzusetzen! Einen treuen Diener der Ma’at, einen treuen Diener deines Hauses! Es ist ein Zeichen der Götter, dass Amenemhat so zugerichtet wurde. Er wird nicht überleben, und das Amt des Ersten Dieners Amuns braucht einen neuen Pfleger…“
    „Nun, noch ist er aber nicht tot, dieser alte Fuchs!“ erwiderte Ramses, während er an der Seite seines Beraters durch die Arkaden hinaus an den Palastsee schritt. „Und ich wette, dass er bereit ist, die Götter der Unterwelt zu bestechen, nur um nicht abtreten zu müssen!“
    Er erinnerte sich an das Gespräch, das er gestern Abend mit dem Ersten Mundschenk gehalten hatte. Dieser hatte ihm unzweideutig zu verstehen gegeben, er solle doch nachhelfen, wenn Amenemhat sich partout so an sein Leben klammere. Der Mundschenk hasste den Hohepriester aus Ipet-Isut, seit jener einen seiner Brüder wegen Grabraubes zum Tode verurteilt hatte. Aber dem jungen Pharao war bei der Vorstellung, Amenemhat aus dem Weg zu räumen, doch etwas unbehaglich geworden. Was würde der große Gott Amun-Ra tun, wenn er seinen Obersten Priester auf diese Weise ins Totenreich beförderte? Irgendeine Art von fatalem Unheil würde ihn treffen, da war Ramses sich sicher… Vielleicht würde Kiya eine Missgeburt zur Welt bringen… Oder die Nilflut einen ganzen Zyklus lang ausbleiben…
    Er versuchte sich wieder auf das Gespräch mit seinem Berater zu konzentrieren.
    „Was hast du eben gesagt, mein Freund? … Die Verlegung der Residenz?“
    „Wir sollten so bald als möglich mit den Vorbereitungen beginnen, Majestät. In den Monaten der Flut wird der Umzug unmöglich sein. Bedenke, dass deine Präsenz im Delta die Loyalität der Gaufürsten zurück gewinnen wird! Die Not und der Hunger in Kemet werden endlich ein Ende finden, ohne das Blutvergießen eines Feldzuges…“
    Die Stimmen verklangen zwischen den Bäumen.

    Amenemhat sank zurück auf das Bett, den widerwärtigen Geschmack des mit Mohnsaft und anderen Arzneien versetzten Weines noch im Mund. Das würde die Schmerzen, die ihn im Augenblick zerhackten wie die Werkzeuge eines Bildhauers eine misslungene Statue, auf ein etwas erträglicheres Maß reduzieren. Wenigstens für ein paar Stunden… 
    Der Arzt hatte die Verletzungen mit Stücken von rohem Fleisch belegt, was im Allgemeinen als verlässliches Heilmittel galt, Amenemhat aber einen für ihn ewig scheinenden Aufenthalt in den Martern der Unterwelt bescherte. 
    Doch die Schmerzen waren nicht das, was ihn am meisten quälte. Weitaus schwerer zu ertragen war der Gedanke daran, dass er – für Tage, für Wochen? – Nicht eingreifen konnte in die Geschicke Kemets! Sich nicht kümmern konnte um das, was im Palast geschah, die Flöhe, die dieser fanatische Kahotep dem Pharao wieder ins Ohr setzen mochte! Die Libyer, die Gaufürsten! Alles ging

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