Der Skorpion
heran.
»Das Übliche, Dell?«, fragt sie, schiebt ihm einen Bierdeckel zu und tut so, als würde es sie nicht stören, dass er sie herumkommandiert. Doch mir blinzelt sie heimlich zu. Wir wissen beide, dass Dell Blight ein Schwein ist.
»Ja. Ein Budweiser.«
Sie hält bereits ein gekühltes Glas unter den Zapfhahn. »Das alles ist so furchtbar. Was für ein Monster ist dieser Mensch, der die Frauen einfach im Wald zurücklässt?«, fragt Nadine mit einem Blick auf mein fast leeres Glas. »Noch einen?« Sie schaut auf, und wir sehen uns sekundenlang an.
Ich nicke, erwidere ihr Lächeln, gebe vor, nicht zu verstehen, was sie mir anbieten will.
»Man sollte meinen, der Sheriff müsste den Mistkerl doch schnappen«, sagt Blight mit dem dicken Bauch mit wissendem Nicken. Er anstelle des Sheriffs hätte den »Mistkerl« längst hinter Schloss und Riegel. »Wozu haben wir ihn eigentlich gewählt?«
»Grayson leistet gute Arbeit. Und vielleicht schnappen sie den Kerl ja auch noch.« Nadine ist offenbar nicht in der Stimmung, sich von Typen wie Dell Blight etwas sagen zu lassen. »Diese Frau« – sie weist mit dem gekrümmten Daumen auf den Fernseher – »ist nicht tot.«
Wie bitte?
Jeder einzelne Muskel in meinem Körper spannt sich an. »Ach nein?«, frage ich, als ob es mich brennend interessiert. Nadine hat offenbar etwas falsch verstanden. Donna ist tot. Sie muss tot sein!
»Das sagen sie jedenfalls«, versichert Nadine mir und Dell. »Ich hatte die Lautstärke aufgedreht, aber Farley, ihr kennt ihn ja, will, dass ich den Ton abdrehe, damit er Musik hören kann.« Sie zieht ein säuerliches Gesicht. »Schließlich ist ja bald Weihnachten.«
Ich nicke grinsend, aber tief im Inneren empfinde ich nicht nur Angst, sondern auch Wut. Nadine muss sich täuschen.
Beruhige dich, verlier nicht die Beherrschung.
Ich hebe mein Glas an die Lippen, als wollte ich trinken, doch stattdessen atme ich tief durch, um meine Angst zu vertreiben.
»Ich habe gehört, dass das letzte Opfer überlebt hat. Eben, als ich zur Pause kurz draußen war. Sie haben es überall im Radio gebracht«, beteuert Nadine mit der eifrigen Erwartungshaltung eines Menschen, der frischen Klatsch verbreitet. »Heute haben sie zwei Frauen gefunden. Eine ist tot, aber die, die von den Nachrichtenleuten entdeckt wurde, lebt noch. Liegt zwar im Koma, aber sie lebt.«
»Ob sie es schafft?«, frage ich mit gespielter Sorge um das dumme Miststück, das längst hätte tot sein sollen. Was war denn mit ihr? Ich habe sie den Elementen überlassen, aber Donna ist offenbar stärker, als sie aussieht.
Du überheblicher Idiot. Deine Selbstherrlichkeit hat deinen Verstand übertölpelt.
»Wer weiß, ob sie überlebt.« Nadine streicht mir über die Hand. Eine zärtliche Geste; ihr Daumen berührt meinen.
»
Zwei
Frauen? Sie haben zwei gefunden? Heiliger Strohsack!« Bierbauch Dell schüttelt seinen fast kahlen Kopf, und mir steigt der Geruch von frischem Sägemehl in die Nase. »Ich verstehe nicht, was diesen Kerl daran anmacht. Es heißt, die Frauen wurden nicht mal vergewaltigt. Überhaupt nicht sexuell belästigt. Der Kerl ist wahrscheinlich schwul.«
Ich lächele zustimmend. Natürlich versteht ein Schwachkopf wie Dell Blight nichts, aber auch gar nichts. Sein Gehirn ist wahrscheinlich nicht größer als eine Walnuss.
Trotzdem bin ich beunruhigt. Ist es überhaupt möglich? Lebt Donna noch? Wenn ja, könnte ich Probleme bekommen.
»Nee«, meldet sich Ole Olson, der rundliche kleine Kerl mit der schmutzigen Baseballkappe neben Dell. »Schwul ist er nicht. Sonst würde er doch Kerle da raufschleppen und an Bäume fesseln und das alles mit ihnen machen. Ich glaube eher, er ist gar kein richtiger Mann.«
»Wie, kein Mann? Eine Frau?«
»Nein, er ist kastriert, er ist … so ein … so ein …« Ole schnippt mit den Fingern. »So ein Öniech.«
»Öniech?«, wiederholt Dell prustend und trinkt einen ordentlichen Schluck. »Was ist das denn?«
»Ich glaube, er meint Eunuch«, sage ich und wünsche mir gleich, bloß den Mund gehalten zu haben. Was wissen denn diese Kretins?
»Was ist das denn, ein Öniech?« Dell verzieht das Gesicht, als wäre ihm der Gestank von Wochen alten toten Fischen in die Nase gestiegen.
»Das ist es ja gerade, die können nicht mehr so, wie sie vielleicht wollen«, sagt Ole.
»Das reicht!« Nadine schüttelt den Kopf, sammelt ein paar leere Gläser ein und taucht sie ins Spülbecken. Flink wie eine Klapperschlange streicht sie
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