Der Skorpion
gepolsterten Lieblingssessel gekuschelt, gedankenverloren Marilyn gestreichelt und bei einem alten Schnulzenfilm Popcorn gegessen hatte?
Sie hatte bereits ihre Mutter angerufen, und Linnie hatte am Telefon geweint. »Ich weiß, dass sie dich gefunden haben; sie haben schon angerufen. Aber … aber, ach, Jillian, ich hatte solche Angst, dass ich dich für immer verloren hätte, dass dieser Verrückte dich entführt hätte und ich dich nie wieder sehen, nie wieder deine Stimme hören würde.« Ihre Mutter hatte zu schluchzen begonnen, und auch Jillian kamen die Tränen.
»Mir geht es gut.«
»Aber was du durchgemacht hast. Mit diesem Verrückten.«
»Aber, Mom, du hast es ganz falsch verstanden. Die meiste Zeit war ich ja in Sicherheit.« Sie brauchte fast eine halbe Stunde, um ihre Mutter davon zu überzeugen, dass Zane MacGregor nicht der Mörder war. Als Linnie nachfragte, wer sie entführt und im Wald zurückgelassen hatte, erklärte Jillian ihrer Mutter dasselbe, was sie auch bei der Vernehmung ausgesagt hatte – dass sie nicht die geringste Ahnung hatte, wer den Mordversuch begangen hatte.
Linnies Schluchzen hörte abrupt auf. »Ich nehme die nächste Maschine nach Missoula und dann einen Mietwagen und …«
»Nein, Mom!«, fiel Jillian ihr ins Wort. »Ich bin in ein oder zwei Tagen zu Hause und rufe dich unter einer neuen Handynummer an.«
»Aber nach allem, was du durchgemacht hast …«
»Mir geht es gut. Ich bin in ärztlicher Behandlung, habe keine Knochenbrüche und kann nach Hause fahren, sobald die Straßen geräumt sind.«
»Du bist verletzt! Ich sollte jetzt bei dir sein.« Da hatte Jillian begriffen. Ihre Mutter wollte ihr nicht nur helfen, sondern vor allem mit ihr zusammen im grotesken Rampenlicht dieses Falles stehen. Schon jetzt hatten Reporter versucht, Jillian in ihrem Zimmer anzurufen.
»Mir geht’s gut, Mom, wirklich. Du brauchst nicht zu kommen. Aber ruf Dusti an und sag ihr, dass mir nichts fehlt, und alle anderen, die nach mir fragen.«
»Ja, natürlich!« Linnie war in ihrem Element, wenn sie eine Mission hatte. »Und was ist mit den Fernseh- und Nachrichtenreportern hier? Man hat mich schon angerufen.«
»Tatsächlich?« Jillian war verblüfft. »Woher wissen die denn von mir?«
»Keine Ahnung.«
»Hör mal, Mom. Du wimmelst sie ab. Schaffst du das?«
»Natürlich.«
»Prima, das wäre toll. Und ich muss dich um einen weiteren Gefallen bitten.«
»Sag es schon«, verlangte ihre Mutter eifrig.
»Könntest du Emily Hardy anrufen, ihr alles erklären, meine Katze zu dir holen und sie versorgen, bis ich zurück bin?«
»Aber natürlich, Schätzchen. Keine Frage!« Linnie blühte eben auf, wenn sie gefordert war.
»Danke, Mom. Ich rufe dich bald wieder an, sobald ich ein Handy habe. Dann lasse ich dich wissen, wann ich zurückkomme.«
»Wenn du mich wirklich nicht brauchst …«
»Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du das alles für mich erledigen könntest.« Sie gab ihrer Mutter die Nummer des Krankenhauses. »Ich liege auf Zimmer dreiundzwanzig.«
»Hab’s notiert«, antwortete ihre Mutter.
»Danke. Ich melde mich bald.«
»Gott sei Dank, dass du gesund bist! Und mach dir keine Sorgen wegen der Presse. Mit denen werde ich schon fertig. Und noch etwas: Ich wollte deine Schwester zu Weihnachten besuchen«, sagte Linnie. »Komm doch auch! Ich bringe die Katze mit, und wir treffen uns bei Dusti.«
»Lieber nicht. Weihnachten ist doch schon in … wie? In drei Tagen?« Jillian hatte keine Lust auf einen Besuch bei der Familie ihrer Schwester in San Diego. Sie liebte ihre Nichten – sie hatten beide nicht gerade wenig Temperament und hielten Dusti auf Trab –, aber sie zweifelte keine Sekunde daran, dass ihre Schwester unbedingt ein »perfektes« Weihnachtsfest in Szene setzen wollte und damit allen den Spaß an dem Fest verdarb. Ganz zu schweigen von Drew, diesem Langweiler. Ein großer, gutaussehender Mann, der sechzig Stunden in der Woche arbeitete. In seiner Freizeit spielte er Golf, rauchte »mit den Jungs« Zigarren und schwafelte unablässig über die Börse. Er konnte Jillian auf die Palme bringen. Er bedrängte Dusti, noch einmal schwanger zu werden, weil er unbedingt einen Sohn zeugen wollte. Ja, Weihnachten mit den Bellamys wäre ein ganz besonderer Spaß. Aber Jillian war fest entschlossen, darauf zu verzichten.
»Ja, gut. Ich fahre am vierundzwanzigsten. Ich … ich überlege mir etwas wegen deiner Katze.«
»Vielleicht kann Emily sie noch eine
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