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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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bemerkte er deutlich ironisch. »Die Kavallerie ist endlich ausgerückt!«
     
    MacGregor saß auf dem unbequemen Stuhl im Verhörzimmer und blickte, während die zwei Ermittler ihn mit Fragen bombardierten, auf den großen Einwegspiegel, durch den, wie er wusste, der Sheriff, der Bezirksstaatsanwalt und wahrscheinlich eine Schar von Polizisten seine Reaktionen beobachteten. Er konnte sich auf sein Recht auf einen Anwalt berufen; damit rechneten sie, während sie die Vernehmung auf Video aufzeichneten, doch er hatte nichts zu verbergen.
    Er suchte sich in dem Raum mit den Betonsteinwänden, in dem der scharfe Ammoniakgeruch den Gestank von Körperschweiß, Erbrochenem und Verzweiflung nicht ganz überdecken konnte, seinen Weg durch das Minenfeld der Fragen und antwortete ehrlich, aber ohne zusätzliche Informationen zu liefern. Neonröhren spendeten ein summendes, flackerndes Licht. In einer Ecke war eine Kamera angebracht, deren Linse sich auf den kleinen Tisch richtete, wo ein halbvoller Aschenbecher stand und ein dicker Aktendeckel voller gekritzelter Notizen und Papiere dalag wie eine Schlange, still und tödlich, bereit, im Bruchteil einer Sekunde zuzuschlagen.
    »… und Sie erwarten, dass wir glauben, Sie wären mitten in einem der schlimmsten Schneestürme des letzten Jahrzehnts rein zufällig auf Jillian Rivers’ Fahrzeug gestoßen und hätten sie gerettet?«, fragte die größere Polizistin, Pescoli. Sie hatte skeptisch die Brauen hochgezogen und sah ihn ungläubig an.
    »Ich hatte den Schuss gehört«, wiederholte er. »Deswegen habe ich sie gefunden. Und das Unwetter hatte sich vorübergehend ein wenig gelegt.«
    Die andere Polizistin, eine stillere, bedächtigere Frau mit glänzend schwarzem, zu einem Nackenknoten geschlungenen Haar und eindringlichen, undurchschaubaren braunen Augen, hörte meist nur zu. Etwas in ihrer Haltung ließ vermuten, dass sein Bericht zumindest so viel Glaubhaftes enthielt, um Zweifel an dem Verdacht gegen ihn aufkommen zu lassen.
     
    Er hatte ihnen die ganze Geschichte erzählt. Nachdem der Hubschrauber Jillian gerettet und auch ihn an Bord genommen hatte, wurde er in Handschellen zum Büro des Sheriffs und Jillian ins Krankenhaus gebracht. Hier, in diesem kahlen, fensterlosen Raum mit den glatten grauen Wänden und dem Zementboden bot man ihm einen Klappstuhl vor einem einfachen Tisch an, und die Handschellen wurden ihm abgenommen, als er seine Aussage machte. Zuerst war er wütend gewesen, hatte seine Freilassung verlangt, darauf bestanden, dass jemand nach seinem Hund suchte, und geflucht, weil ihm offenbar niemand glaubte, dass er Jillian Rivers keinesfalls etwas hatte antun wollen, sondern sie vielmehr gerettet hatte.
    Doch diese Frau, Alvarez hieß sie, hatte ihm mitgeteilt, dass sein Hund gefunden worden war und dass er lebte. Immer mehr hatte er auch den Eindruck, dass sie seinem Bericht Glauben schenkte. Seit der Landung des Hubschraubers waren Stunden vergangen, lange Stunden, seit er in diesen Raum gestoßen und verhört worden war.
    Es war kalt im Raum, aber man hatte ihm ein Hemd gegeben, das sie aus seiner Hütte mitgebracht hatten, wo die Detectives auf der Suche nach Hinweisen auf seine Beteiligung nicht nur an Jillian Rivers’ Entführung, sondern auch am Mord an mehreren Frauen alles auf den Kopf gestellt hatten, wie er wohl wusste.
    Vor ihm auf dem Tisch lagen Fotos von Leichen, Fotos von geschundenen toten Frauen, die alle an Bäume gebunden, den Elementen ausgesetzt zum Sterben zurückgelassen worden waren.
    »Sie sind keiner dieser Frauen je begegnet?«, wurde er wohl zum zwanzigsten Mal gefragt.
    »Nein.«
    »Sie kennen sie nicht?«
    »Nein.«
    Er sah Pescoli fest an. »Ich habe keine von ihnen jemals im Leben gesehen.«
    Unmutig entfernte sie sich von ihm und ließ ein bisschen die Schultern kreisen, als wäre auch sie erschöpft von diesem Gespräch, das nirgendwohin führte. »Sie sind vorbestraft«, sagte sie, lehnte sich an die Wand und verschränkte die Arme unter der Brust.
    »Stimmt.«
    »Und wir reden hier nicht von Strafzetteln für Geschwindigkeitsübertretungen. Sie haben in Denver einen Mann getötet. Waren im Gefängnis.«
    MacGregor sagte nichts. Er brauchte nichts zu sagen. Ihnen lag seine Akte vor, sie kannte alle Anklagepunkte.
    »Mord ist Ihnen also nicht fremd.«
    Es war keine Frage. Er nahm den Köder nicht. Die Anklage hatte auf Totschlag gelautet. Ein großer Unterschied. Das wussten sie beide. Er hätte gern gewusst, wie spät

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