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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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fügte sie hinzu: »Niemand weiß etwas.«
    Sein ohnehin verkrampfter Magen zog sich noch stärker zusammen. »Fragen Sie weiter. Haben wir das Fahrzeug des letzten Opfers schon gefunden?«
    »Noch nicht.«
    Noch einmal warf er einen Blick auf die Karte. »Suchen Sie weiter.«
    »Das tun wir«, versicherte sie, und ihr entschlossen gerecktes Kinn überzeugte ihn, dass sie bei ihrer Suche jeden Stein einzeln umdrehen würde. Er war sich nur nicht sicher, ob das genug war.
     
    Um halb sieben war die Sonne in Seattle noch nicht ganz aufgegangen. Jillian Rivers schenkte sich eine zweite Tasse Kaffee ein und hätte ihn beinahe auf den Ärmel ihres Bademantels schwappen lassen, als irgendwo in den Abgründen ihrer Handtasche das Handy klingelte. Sie warf einen Blick auf die Digitaluhr der Mikrowelle und fragte sich, wer um alles in der Welt schon so früh anrief.
    Derselbe Idiot, der vor drei Tagen um fünf Uhr morgens angerufen und keine Nachricht hinterlassen hatte. Als ob das witzig wäre.
    Unvermittelt stieg Ärger in ihr auf, noch bevor sie sich sagen konnte, dass sie überreagierte. Der Anruf konnte ja auch von jemandem an der Ostküste stammen, der vergessen hatte, wie früh es drei Zeitzonen entfernt noch war. Ihre Zimmergenossin aus dem College hatte den gleichen Fehler schließlich nicht nur einmal, sondern schon öfter gemacht.
    Sie kramte in ihrer Handtasche, fand das Handy im selben Moment, als es aufhörte zu klingeln, und meldete sich in der toten Leitung. »Toll.« Im Menü des Handys klickte sie die Liste der eingegangenen Anrufe an. Der letzte lieferte keine Informationen.
    »Wunderbar«, sagte sie mit unüberhörbarem Sarkasmus. In diesem Moment bewegte sich die Katzenklappe.
    Marilyn, ihre langhaarige mehrfarbige Katze, stemmte den Kopf gegen das Plastikbrett, schlüpfte durch die Öffnung und stelzte in die Küche. Jillian hatte die Klappe eigenhändig installiert, als sie in dieses Stadthaus am Ufer des Lake Washington eingezogen war. »Wie bitte, keine Maus? Keine Ratte? Keine eklige Schlange ohne Kopf?«, fragte sie, als Marilyn im Slalom um ihre Knöchel strich, sich an ihnen rieb und laut schnurrte. »In Ordnung, mächtige Jägerin. Selbst die besten Mauserinnen haben mal einen schlechten Tag.« Sie hob die Katze hoch und flüsterte in ihr spitzes, zuckendes Ohr: »Trotzdem bist du die Schönste von allen, weißt du?«
    Die Katze, schneeweiß mit nur ein paar orangefarbenen und schwarzen Flecken, war von Jillians Mutter nach Marilyn Monroe Marilyn getauft worden.
    »Sie ist einfach so schön. Sie hat das Zeug für Hollywood, findest du nicht?«, hatte Linnie White geschwärmt, als sie das acht Wochen alte Kätzchen bei ihrer jüngsten Tochter ablieferte. »Glaub mir, ich habe sie gesehen und konnte nicht widerstehen. Wir nennen sie Marilyn.«
    »Wäre Norma Jean nicht ein bisschen … ich weiß nicht … dezenter … oder intellektueller? Wie eine Art Insiderwitz?«, schlug Jillian vor.
    »Ach, um Gottes willen, Jillian, sie ist nur eine Katze! Warum muss man da dezent und intellektuell sein?«
    »Ich weiß nicht mal, ob ich überhaupt eine Katze will.«
    »Aber natürlich willst du.« Linnie hatte Jillian das hinreißende kleine Fellbündel gereicht, und das winzige Ding bewies genug Verstand, um Jillian mit großen grünen Augen anzusehen und wie wild zu schnurren. Als Jillian sie höher an ihren Hals hob, verfiel das Kätzchen mit seinen zierlichen Pfötchen in den Milchtritt, und damit war es geschehen: Jillian hatte sich verliebt. Ihre Absage an Haustierhaltung war null und nichtig. »O Gott, sie hat mich ja schon rumgekriegt«, sagte sie und wusste, dass sie in der Falle saß. Jillian hätte es abstreiten können, solange sie wollte, und sie war auch nie eine Katzenfreundin gewesen und hatte nach dem Tod ihres alten blinden Hundes, auch eines der aus dem Tierheim geretteten Tiere, der Haustierhaltung abgeschworen, doch das alles war vergessen, als Marilyn an ihrem Hals schnurrte.
    »So sind Katzen nun mal. Sie kriegen dich rum«, pflichtete Linnie ihr bei und war mit sich selbst mehr als zufrieden, weil Jillian sich von dem Kätzchen bezaubern ließ und es nicht ins Tierheim zurückgebracht werden musste. »Deshalb haben sie auch so große Ähnlichkeit mit Ehemännern.«
    »Schön, schön, Marilyn kann bleiben. Aber komm bitte nicht auf die Idee, mir jetzt auch einen Mann aus dem Heim für Ex-Ehemänner zu besorgen!«
    Linnie lächelte. »Sehr witzig. Hab ich dir nicht davon abgeraten,

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