Der Skorpion
Mason zu heiraten? Ich erinnere mich sehr gut daran, erwähnt zu haben, dass du noch nicht über Aaron hinweg warst, als du dich mit ihm eingelassen hast.«
»Mom, Aaron war seit vier Jahren tot, als ich Mason geheiratet habe.«
»Er war seit vier Jahren
vermisst.
Und du hattest schon immer den Verdacht, dass Aaron in irgendetwas verwickelt war, bevor er verschwand.«
»Die Polizei auch. Aber das ist jetzt Schnee von gestern«, erinnerte sie ihre Mutter. Sie wollte nicht daran denken, wie ihr Mann sie hereingelegt hatte und was sie nach seinem Tod hatte durchmachen müssen.
Linnie hatte offensichtlich noch mehr sagen wollen, überlegte es sich aber ausnahmsweise einmal anders. »Also bleib am besten für eine Weile bei Katzen.«
»Oh, ganz bestimmt«, versicherte Jillian. »Glaub mir.«
»Keine Männer?«
»Nein, Mom, keine Männer. Auf sehr lange Sicht nicht mehr.«
So war die Katze geblieben, und bisher hatte Jillian ihr Versprechen gehalten. Das beantwortete jedoch nicht die Frage, wer sie schon bei Tagesanbruch anrief. Nein, noch vor Tagesanbruch.
Sie trank einen Schluck Kaffee, ließ die zappelnde Marilyn zu Boden und wollte gerade die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinaufsteigen, als das Handy in ihrer Hand aufs Neue zu klingeln begann.
Sie meldete sich vorm zweiten Klingeln. »Hallo?«
»Er lebt«, flüsterte eine nasale, dünne Stimme.
»Wie bitte?«
»Er lebt.«
»Wer? Wer lebt? Wer spricht da?«
»Dein Mann. Er lebt.«
»Ich
weiß,
dass er lebt. Übrigens, er ist mein Ex-Mann.« Sie
wusste,
dass Mason Rivers ausgesprochen lebendig war, immer noch einen BMW fuhr, als Anwalt praktizierte und höchstwahrscheinlich auch seine zweite Frau betrog. Viele Frauen wünschten ihm den Tod, doch Mason war einfach viel zu ichbezogen, um zu sterben. »Wer spricht da?«
»Doch nicht dein Ex.«
»Ich lege jetzt auf«, sagte Jillian nach kurzem Zögern. Ein kalter Schauer kroch ihr über den Rücken bis hoch in den Nacken, während sie aus dem Fenster auf das graue Wasser des Sees blickte. Ihr blasses Spiegelbild in der Scheibe sah verängstigt aus. »Wer sind Sie?«
Klick.
Das Handy blieb stumm, und als sie darauf sah, bemerkte sie, dass ihre Hand zitterte. Heftig. Ihr Gaumen war staubtrocken.
Aaron.
Der unbekannte Anrufer wollte ihr sagen … sie warnen … dass Aaron lebte? Was sollte das? Und es stimmte doch gar nicht!
Aber seine Leiche wurde nie gefunden, oder?
Du hast nie aufgehört zu glauben, dass er irgendwann zur Tür hereinkommen und dir erklären würde, warum er dich allein zurückließ, nachdem er all das Geld unterschlagen hatte. Nachdem die Polizei dich verdächtigt hat, an dem Plan beteiligt zu sein, eine halbe Million Dollar in Fonds von Menschen zu stehlen, die bei ihm investiert hatten.
»O Gott«, flüsterte sie und ließ das Handy fallen, das mit einem Klappern auf dem Fliesenboden aufschlug. Tränen traten ihr in die Augen, und ihr Herz hämmerte, als sie sich gegen das Spülbecken sinken ließ. Aaron war tot. Und zwar für immer. Ein Unfall während einer Wanderung in Surinam. Dass seine Leiche nie aus dem südamerikanischen Regenwald geborgen wurde, hieß noch lange nicht, dass er noch lebte. Und dann wurde sie wütend. Stinksauer auf den unbekannten Anrufer. Sie hasste derartige Streiche. Hasste sie. Aaron war tot, schon seit Jahren.
Mit einiger Mühe konnte sie sich allmählich beruhigen. Marilyn starrte sie auf nervtötende Weise an, was Jillian einen merkwürdigen kleinen Schauer über den Rücken jagte.
»Er ist tot«, sagte sie mit fester Stimme zu der Katze. Statt einer Antwort zuckte Marilyn verlegen mit dem Schwanz und huschte durch die Katzenklappe nach draußen. Jillian sah ihr nach … und überlegte.
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3. Kapitel
R aus aus den Federn«, befahl Regan Pescoli an der offenen Tür zum Schlafzimmer ihres Sohnes. Poster von Grunge- und Heavy-Metal-Bands an den Wänden wetteiferten um Platz mit Bildern von Basketballprofis. Kleidungsstücke, DVD s und Teller mit angetrockneten Resten von Spaghetti und Pizza lagen auf dem Boden verstreut oder stapelten sich auf dem Schreibtisch und dem kleinen Fernseher. Mit anderen Worten, der zehn Quadratmeter große Kellerraum war ein Saustall.
Von dem großen Wulst mitten auf dem Futon, dem Bett ihres Sohnes, kam keine Antwort.
»Hey, Jeremy, hörst du mich nicht? Zeit zum Aufstehen! Du musst zur Schule.« Dieses Mal vernahm sie ein Grunzen. »Du weißt genau, dass du noch lange nicht aus dem Schneider bist. Wenn du noch
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