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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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einmal zu spät kommst, wird Mr. Quasdorf dich …«
    »Ist mir … so was von egal, was Mr. Quasdorf macht!«, verkündete ihr Sohn und warf die Bettdecke zurück. So, wie er jetzt wütend an die Zimmerdecke starrte, glich er ihrem ersten Mann so sehr, dass es Regan wie ein Schlag in die Magengrube traf. »Der ist ja so was von schwul!«
    »Mit solchen Behauptungen würde ich vorsichtig sein. Besonders seiner Frau und seinen Kindern gegenüber.«
    Mürrisch wälzte sich Jeremy aus dem Bett, und Cisco, der gefleckte Terriermischling, sprang zu Boden. Cisco war zehn Jahre alt und wurde schon grau, glaubte aber anscheinend immer noch, ein Welpe zu sein. »Ich hätte jetzt gern ein bisschen Privatsphäre«, grummelte Jeremy und reckte sich zu seiner stattlichen Größe von eins achtzig auf. Regan trank von ihrem Kaffee und rührte sich nicht vom Fleck. »Ich hab’s kapiert, Mom, okay?«
    »Und fahr deine kleine Schwester bitte zur Schule.«
    »Ich
weiß.
« Er sah sie mit immer noch verschlafenem Blick an, und sie erkannte nur noch einen schwachen Abglanz des unbeschwerten Kindes, das er einmal war. Jetzt ließ er sich einen Soul Patch wachsen, sozusagen eine dunklere Stelle am Kinn, dazu einen flaumigen, unregelmäßigen Oberlippenbart und redete von Tattoos und Piercings, die er sich machen lassen wollte, trotz ihrer Ermahnungen, damit wenigstens zu warten, bis er achtzehn war.
    Wenn doch sein Vater noch lebte. Wenn Joe doch kein Held gewesen und nicht in Ausübung seines Dienstes gestorben wäre. Wenn ich ihm eine bessere Frau gewesen wäre …
    Jeremy wäre auf dem Weg nach oben zum einzigen Bad fast mit ihr zusammengestoßen und knallte jetzt die Tür. Durch die dünnen Wände hörte sie, wie er die Dusche aufdrehte und, während das Wasser warm wurde, den Klodeckel hob und sein Geschäft verrichtete.
    Alles wäre besser, wenn Joe noch am Leben wäre, dachte sie. Nein, Moment. Das muss anders lauten. Alles wäre
anders,
so viel war klar. Besser? Das war reine Spekulation.
    Sie ging die paar Schritte bis zur Küche, wo ihre Tochter auf einem Barhocker saß, ihren Erdnussbuttertoast links liegenließ und simste, als wäre sie mit dem Handy, das sie mit ihren schlanken, beringten Fingern bearbeitete, auf die Welt gekommen. Mit ihren üppigen, fast schwarzen Locken, dem seidigen mediterranen Teint und Augen, so blau wie der Sommerhimmel, stellte Bianca eine kleinere, weibliche Version ihres Vaters, Luke Pescoli, dar.
    Sie hatte sich schon oft gefragt, warum keines von ihren Kindern, die sie schließlich neun Monate lang im Mutterleib getragen hatte, Anstand genug besaß, ihr ähnlich zu sehen. Jeremy war seinem Vater, Joe Strand, wie aus dem Gesicht geschnitten, Bianca war eine Miniaturausgabe von Luke. Manchmal hatte Regan das Gefühl, kaum mehr als das Gefäß gewesen zu sein, in dem die DNA ihrer Männer keimen konnte.
    »Iss auf«, sagte sie, und ihr Blick wanderte durch den Essbereich zum Wohnzimmer, wo neben einer schlappen Kunstledercouch ein mit Milliarden Lichtern und unzähligen Lamettasträngen geschmückter Weihnachtsbaum in der Ecke stand, nur Zentimeter entfernt vom funktionsuntüchtigen Kamin. Zwar schrieb man erst November, doch Regan legte Wert darauf, frühzeitig gewappnet zu sein. Die Krippe aus angeschlagenem Porzellan, seit Generationen in ihrer Familie, war schon auf dem Kaminsims aufgebaut, auf glitzernder Watte, die einst wie Schnee ausgesehen hatte, jetzt aber reichlich gerupft wirkte. Für diesen Schnee war das letzte Jahr gekommen.
    Bianca, deren Finger immer noch klickend über die Tastatur des Handys flogen, beachtete sie nicht. Ihr Toast lag immer noch unberührt da. »Bianca, Jeremy ist gleich startbereit, und du weißt, dass er nicht auf dich warten will. Iss dein Frühstück.«
    Klick, klick, klick, klick.
»Ach, Mom. Igitt! Weißt du nicht, dass Erdnussbutter pures Fett ist?«
    »Ich glaube, sie enthält auch Proteine.«
    »Und wenn schon.« Bianca sah noch nicht einmal hoch. Die winzigen Tasten klickten leise.
    Regan, nicht zum Streiten aufgelegt, füllte ihre Tasse aus der Kanne auf der Warmhalteplatte der Kaffeemaschine. Die Küche war eng und klein, wie das ganze Haus überhaupt – eine kleine »Anfangsbehausung«, für deren monatliche Hypothekenzahlung Regan hart arbeitete. Die Heizung rumpelte laut als Entschädigung für die kalte Luft, die durch die Ritzen in den Fenster- und Türdichtungen kroch.
    Cisco jaulte und kratzte an der Schiebetür zur Terrasse. »Musst du

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