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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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desto größer wurde die Wahrscheinlichkeit, dass das Fahrzeug der Asiatin bis zum Einsetzen des Tauwetters im Frühling unter Schneemassen begraben liegen würde. Dann wäre sämtliches Beweismaterial aus dem Wagen verloren oder doch zumindest stark beeinträchtigt. In der Zwischenzeit würde sie zurück ins Büro gehen, die Leichenfundorte kartieren und prüfen, wo, wenn überhaupt, sich die jeweiligen Zwei-Meilen-Umkreise schnitten. Vielleicht kam sie der Verhaftung des Scheißkerls damit einen Schritt näher.
     
    Sheriff Dan Graysons Tag hatte schlecht angefangen und sich noch schlechter entwickelt.
    Und es sah nicht so aus, als würde sich die Situation in absehbarer Zeit verbessern. Von Sodbrennen geplagt, stand er hinter dem Schreibtisch in seinem Büro und blickte aus dem Fenster in das heraufziehende Unwetter. Um siebzehn Uhr am Nachmittag waren in der Stadt bereits die Lichter angegangen und spiegelten sich bläulich auf den schneebedeckten Straßen. Da das Büro des Sheriffs und das Gefängnis oben auf dem Boxer Bluff gelegen waren, genoss er den Ausblick über den Fluss und die Wasserfälle knapp eine Meile weiter unten, wo sich ein Großteil der Stadt, unter anderem auch das über hundert Jahre alte Gerichtsgebäude aus Backstein, ausbreitete.
    Die Presse in Gestalt von Mikrofone schwingenden Fernsehreportern war en masse in die bisher so bedeutungslose Kleinstadt Grizzly Falls eingefallen.
    Der letzte große Knüller in der Gegend war die Flut von achtundachtzig gewesen, die den Bootsanleger und das Naturschutzgebiet an den Ufern des Grizzly River vernichtet hatte.
    Aber jetzt hatte so ein elender Psychopath beschlossen, in dieser Gegend der Bitterroot Mountains nackte Frauen an Bäume zu fesseln, und das hatte eine Invasion von Kamerateams mit ihren Aufzeichnungsgeräten, Lampen und Kleinbussen mit Satellitenschüsseln wie Ivors Aliens über die verschlafene, gewöhnlich so langweilige Stadt hereinbrechen lassen. Freiberufliche Reporter und Fotografen der ortsansässigen, überregionalen und sogar nationalen Zeitungen bevölkerten die Motels am Ort. Ausgerüstet mit Diktiergeräten, einem Maschinengewehrfeuer an Fragen und wichtigtuerischem Gehabe mischten sie sich Seite an Seite mit ihren Gegenstücken vom Fernsehen unter die Einheimischen.
    Irgendein verblödeter Gastwirt hatte Grayson beim Kaffeetrinken zugezwinkert und gesagt: »Tja, eins kann ich dir sagen, Sheriff, dieser Presserummel ist einfach gut fürs Geschäft.«
    Grayson hätte Rod Larimer am liebsten mit seiner Danish Mixture Cherry das Maul gestopft. Stattdessen hatte er mit einem Schluck seinen Kaffee geleert und gesagt: »Das, was hier passiert, Rod, ist für überhaupt nichts gut. Auch nicht fürs Geschäft.«
    Jetzt kramte Grayson ein Röhrchen Antazidum aus seiner Schreibtischschublade, öffnete mit einer Hand den Plastikverschluss und schluckte eine Tablette trocken hinunter, bevor er sich in seinem knarzenden alten Ledersessel niederließ. Etwas früher, kurz nach Mittag, hatte er eine Pressekonferenz abgehalten, die Öffentlichkeit gewarnt und den Ernst der Lage erläutert. Das hätte sie eigentlich zufriedenstellen müssen, doch als er zum Schluss kam, hatten die Reporter immer noch mehr Informationen gefordert. Er hatte ihnen gesagt, was er konnte, nur ein paar entscheidende Einzelheiten verschwiegen, und er hatte Ivor Hicks mit einer aus den Fingern gesogenen Klage eingelocht, um ihn von der Presse fernzuhalten.
    Ivors Sohn, Bill, hatte von der Zwangslage seines Vaters erfahren und auf der Freilassung des alten Mannes bestanden. »Sie können ihn nicht festhalten, Sheriff«, hatte er früher am Tag telefonisch auf seine Rechte gepocht. »Dad hat Ihnen doch geholfen, oder?«
    Grayson hatte das nicht bestreiten können und ihm versprochen, Ivor freizulassen, sobald die Detectives ihn noch einmal verhört und seine Aussage zu Protokoll genommen hatten.
    »Ich nehme Sie beim Wort«, hatte Bill Hicks geknurrt, bevor er auflegte. Es war nicht das erste Mal, dass Ivors Sohn versuchte, seinem Vater aus der Klemme zu helfen. Und es war bestimmt nicht das letzte Mal.
    Im Grunde genommen hatte Ivors Sohn es darauf ankommen lassen. Den Mann festzuhalten war tatsächlich Blödsinn. Mehrere Detectives hatten Hicks vernommen. Grayson war überzeugt davon, dass das Büro des Sheriffs alles aus dem alten Mann herausgequetscht hatte, was sie kriegen konnten, trotzdem mochte er gar nicht daran denken, was passieren würde, wenn irgendein

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