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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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Geschichte, wie er für ratsam hielt, einschließlich der Umstände, unter denen er Jillian in ihrem Autowrack unten in der Schlucht gefunden hatte, und wie sie dann nach ihrer Genesung entführt und im Wald zurückgelassen worden war, nachdem jemand seinen Hund angeschossen hatte.
    Chilcoate hatte allem zugehört, nur wenige Fragen gestellt und ging voran in seine Drei-Zimmer-Hütte. MacGregor erklärte ihm, was er wollte. Es dauerte eine Weile, doch Chilcoate hörte ihm zu, rauchte unentwegt und blickte aus dem Fenster. Das Fenster war nur einen kleinen Spalt geöffnet, wodurch kalte Luft hereinströmte, die mit der Hitze des gasbetriebenen Kamins konkurrierte. Der Wohnbereich war mit ein paar Sesseln aus zweiter Hand, einem Zweiersofa und einem verschlissenen Leder-Lehnsessel ausgestattet, ein riesiger Fernsehbildschirm hing an der gegenüberliegenden Wand.
    Das größere Schlafzimmer diente ihm als Büro, eingerichtet mit einem topmodernen Computer vom Feinsten, Radio und Fernseher. Im kleineren Schlafzimmer stand ein Doppelbett mit einer ausgebleichten Decke in Tarnfarben und eine Kommode, an der noch die Aufkleber aus seiner Kindheit hafteten. Im Untergeschoss, hinter Regalen, in denen er von Wein über alte Akten bis zu nicht mehr getragenen Kleidungsstücken alles lagerte, befand sich ein Geheimzimmer, von dem nur eine Handvoll Leute wusste. Die falsche Wand teilte einen langgestreckten, schmalen Raum ab, angefüllt mit den ausgeklügeltsten elektronischen Gerätschaften, die man sich denken konnte.
    Chilcoate war ein Hacker. Und zwar ein ausgezeichneter. Er hatte den besten Lehrmeister gehabt: die Regierung.
    Das überraschte MacGregor nicht. Der Bengel war von Kindesbeinen an ein Elektronikgenie gewesen, was dem MIT und einigen anderen nicht entgangen war. Leider war Chilcoate zu der Zeit ein Nichtsnutz, hatte sein Stipendium für Stanford vergeigt und war hinausgeworfen worden.
    Deshalb ging er zum Militär, und der Rest war Geschichte.
    MacGregors und Chilcoates Kinderfreundschaft hatte sich bis ins Erwachsenenalter fortgesetzt. Sie kannten die Geheimnisse des jeweils anderen, und MacGregor hatte Chilcoate im Lauf der Jahre von einer Klemme aus der nächsten gerettet, angefangen damit, dass er ihm durch eine Strafe wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss half und zu den Anonymen Alkoholikern brachte, bis zur Aufnahme in seinem Haus nach einer gescheiterten Ehe und schlimmen Scheidung. Chilcoate war ihm also was schuldig.
    Und MacGregor wollte sich das spezielle Wissen seines Freundes zunutze machen – ein Wissen, das er in zwölf Jahren beim Militär bei der Arbeit mit elektronischen Überwachungssystemen erworben hatte, bevor er seinen Hut nahm. Ein paar Jahre hatte er dann beim FBI verbracht, um schließlich die Arbeit für die Regierung aufzugeben und sich selbständig zu machen. Beim FBI hatte ihn die Verwaltungsbürokratie gestört. Zu viele Konferenzen. Zu viel Reglementierung für einen wilden Jungen aus Montana, der seinen angeborenen Querkopf einfach nicht bezähmen konnte.
    Jetzt lebte er im Vorgebirge der Bitterroots, nicht weit entfernt von dem Ort, in dem er und MacGregor eine idyllische Kindheit mit Angeln, Wandern und Nächten unter freiem Himmel verbracht hatten, ohne zu ahnen, welche verschlungenen Wege das Leben sie noch führen sollte.
    Mit vollem Namen hieß er Tydeus Melville Chilcoate. Seine alleinerziehende Mutter, Mitglied im Mensa-Verein, hatte eine Vorliebe für alles Griechische, für Captain Ahab und Herman Melvilles Bücher, daher der gewichtige Name. Unbeeindruckt davon ließ sich Chilcoate bei seinem Nachnamen rufen. Es war einfacher so.
    »Mehr willst du nicht?«, fragte er MacGregor, ging zur Spüle in der Küche, drehte den Wasserhahn auf und löschte seine Zigarette. Ein kurzes Zischen, dann warf er den nassen Stummel in den Abfalleimer neben der Schwebetür. »Einen Lieferwagen, ein Handy, und dass ich mich in das Privatkonto einer Person im Internet hacke?«
    »Für den Anfang. Und ich möchte, dass du dich um Harley kümmerst.«
    Chilcoate grunzte zustimmend. »Gehen wir nach unten«, sagte er und stieg ihm voran die schmale Treppe hinunter.
    Im verstaubten Untergeschoss mussten sie sich unter alten Leitungen hindurchducken und unter versteckten Kameras, die hinter den Spinnweben an den Deckenbalken hingen, und zwischen kaputten Möbeln und einem verrosteten Grill durchzwängen. An der hinteren Wand angelangt, trat Chilcoate in eine offenbar für Feuerholz angelegte

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