Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
ihr einen Seitenblick zu. »Vor drei Tagen.« Er wirkte leicht verärgert, doch es war ihr egal. Vielleicht log er sie an; was wusste sie schon? Dann blitzte ein erstaunlich gewinnendes Lächeln auf. Seine Zähne waren nicht perfekt, ein winziges bisschen unregelmäßig, gerade genug, um ihm Charakter zu verleihen, was wahrscheinlich eine Täuschung war.
    Du darfst ihm nicht trauen!
    »Harley«, sagte er, »lass uns Abendbrot essen.«
    Der Labradormischling, der vor wenigen Minuten noch so bösartig gewirkt hatte, sprang auf und tänzelte, mit umgewandtem Kopf MacGregor im Auge behaltend, zur Küche. Der große Mann folgte ihm zum Durchgang. »Hast du Hunger?«
    Harley stieß ein lautes, aufgeregtes Bellen aus.
    Von wegen mörderischer Wachhund!
    »Das dachte ich mir«, sagte MacGregor. Jillian tastete sich am Tisch entlang, bis sie den Durchgang im Blick hatte und zusehen konnte, wie der Mann einen Sack Trockenfutter aus dem Schrank holte. Er ließ den Inhalt rasseln, und Harley drehte sich begeistert um die eigene Achse.
    »Haben Sie ihn ausgehungert?«
    »Wohl kaum.« MacGregor füllte Futter in einen der Näpfe aus Edelstahl neben der Hintertür, die Jillian bisher nicht in der Küche aufgefallen waren.
    »Aber frag ihn nicht. Wenn ich es zuließe, würde er rund um die Uhr fressen.«
    Jillian humpelte zu dem Durchgang zwischen den beiden Räumen und brachte das Gespräch wieder auf die Informationen, die sie wollte und brauchte. »Sie haben mich also hierhergebracht, weil es näher war als zu einem Krankenhaus oder einer Klinik. Das heißt, der Unfall ist hier in der Nähe passiert?«
    »Etwa anderthalb oder zwei Meilen westlich von hier.« Während der Hund sein Futter verschlang, rollte MacGregor den oberen Rand des Sacks sorgfältig ein und stellte ihn zurück in den Schrank, der so aufgeräumt war, als rechnete er mit einem Stubenappell seines Oberleutnants. »Die nächste Stadt ist Grizzly Falls. Etwa zehn Meilen in die andere Richtung. Leider war ich nicht in der Lage, bis dahin durchzukommen.« Er bückte sich, hob Harleys Wassernapf auf, goss den Wasserrest darin in die Spüle und füllte den Napf. »Glaub mir, ich hab’s versucht.«
    »Wie hätten Sie denn in diesem Schneesturm eine solche Strecke fahren können?«
    »So, wie ich dich auch hergebracht habe. Im Schneemobil.«
    Das glaubte sie ihm. Sie hatte noch vage Erinnerungen an die Fahrt. »Sie leben also hier«, sagte sie. »Mitten im Nirgendwo.«
    Er stellte den Napf zurück auf den Boden. »Ich fürchte, diese Bemerkung könnte dir in Montana so mancher übelnehmen.«
    »Sie wissen, was ich meine.«
    »Ja. Sie meinen Gottes schönes Land.«
    Machte er sich über ihre Lage lustig? Während sie verletzt, mit ihm und seinem Hund eingeschneit war, während ein Serienkiller sein Unwesen trieb und draußen ein Schneesturm tobte?
    Er griff nach dem Handtuch, das am Herd hing, und trocknete sich die Hände ab. »Nun mal im Ernst: Du solltest dich hinlegen.«
    Sie war zwar müde, und ihr Knöchel und Brustkorb schmerzten, aber sie wollte sich nicht ins Schlafzimmer schicken lassen, bevor sie nicht noch mehr erfahren hatte. »Ich habe zuerst noch ein paar Fragen.«
    »Schieß los.«
    Diese Wortwahl ließ Jillian zusammenzucken, doch sie gab sich Mühe, sich zu konzentrieren, trotz ihrer Schmerzen und obwohl sie der Fremde mit seinem Hund nervös machte. »Diese Gegend«, mit der freien Hand machte sie eine ausladende Bewegung, wobei ihr um ein Haar das Messer entglitten wäre, doch es gelang ihr gerade noch, den Griff zu fassen und die Klinge nicht aus dem Ärmel rutschen zu lassen – »ist zu weit von einem Krankenhaus, einer Klinik, von der Zivilisation überhaupt entfernt.«
    »Du hast dir eine ziemlich abgelegene Gegend für deinen Unfall ausgesucht.«
    »Apropos Unfall«, sagte sie, »ich glaube, jemand hat meinen Reifen zerschossen.«
    Sein Kopf ruckte hoch, seine Züge spannten sich unvermittelt an. »Zerschossen?«
    Der Hund hatte aufgefressen und hob ebenfalls den Kopf, spürte den plötzlichen Wechsel in der Atmosphäre, die Anspannung seines Herrn. Harleys kluger, misstrauischer Blick heftete sich auf Jillian.
    Vielleicht hätte sie es nicht sagen sollen; für den Fall, dass MacGregor der Serienmörder war, sollte sie sich lieber dumm stellen. Doch sie konnte die Worte nicht mehr ungesagt machen. »Ich habe eine Sekunde, bevor ich die Kontrolle über den Wagen verlor, einen Schuss gehört. Es hörte sich an, als wäre irgendwo eine Kugel

Weitere Kostenlose Bücher