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Der Skorpion

Der Skorpion

Titel: Der Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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Spaniel, sein Nackenfell. Er hielt den Kopf gesenkt, in seinen dunklen Augen funkelte Misstrauen.
    »Will der Hund mich angreifen?«
    »Nicht, wenn du ihn nicht mit der Krücke bedrohst.«
    Sie erwog, die Metallkrücke zu senken, entschied sich aber dagegen, als der Hund knurrte.
    »Halten Sie ihn bitte zurück.«
    »Du magst keine Tiere?« Sein Gesicht war noch immer unter der Skimütze verborgen, aber irgendetwas sprach aus seiner Bewegung, in der unbeschwerten Art, wie er sich dem Hund zuwandte. Belustigung? Grausamkeit?
    »Nicht, wenn das Tier sich aufführt, als wollte es mir an die Gurgel.«
    »Harley? Hast du das gehört? Halte dich zurück.« Der Hund knurrte.
    »Sie haben ihn ja toll im Griff.«
    »Sitz!«, befahl er scharf, und der Hund senkte sein Hinterteil auf den Holzboden. Doch er ließ Jillian nicht aus den Augen.
    »Besser?«, fragte der Mann.
    Sollte das ein Witz sein? Die Situation insgesamt war wie ein böser Traum. Nach allem, was sie wusste, konnte er ein Psychopath der schlimmsten Sorte, ein Mörder sein. Hatte Ted Bundy, der notorische Triebtäter und Serienmörder, nicht als charmant, gutaussehend und intelligent gegolten? Wie oft sagten die Nachbarn der brutalsten Mörder aller Zeiten von ihnen: »Er war doch so ein netter Bursche.« Klar, es gab auch Mörder, die augenscheinlich verrückt waren, doch die Opfer, die sie nicht von Kindheit an aus nächster Nähe kannten, hielten sie höchstens für merkwürdige Einzelgänger. Aber das traf eben nicht immer zu. Und in ihrem Fall dachte sie nicht daran, ihrem »Retter« zu vertrauen, jedenfalls jetzt noch nicht.
    »Ich bin also Dornröschen, und er oder sie« – Jillian deutete mit der Gummispitze der Krücke auf die Spanielmischung – »ist Harley.« Wieder knurrte der Hund. »Und wer sind Sie?«
    »Ich heiße Zane MacGregor, und Harley ist ein Rüde.«
    »Wie lange bin ich schon hier, MacGregor?«, wollte sie wissen.
    »Drei Tage.«
    »Drei Tage?«, wiederholte sie entsetzt. Natürlich hatte sie gewusst, dass einige Zeit vergangen war. Aber drei Tage? Sie hatte
zweiundsiebzig Stunden
ihres Lebens verloren?
    »So lange tobt das Unwetter schon. Die Straßen sind nicht passierbar. Stromausfall. Chaos.«
    Jillian war bestürzt, versuchte immer noch zu rekonstruieren, was passiert war, während MacGregor seine Skimütze und –brille absetzte und sich den Schal vom Hals wickelte. Sein Haar, schwarz, glänzend und leicht gelockt, stand in komischen Büscheln vom Kopf ab, und ein Dreitagebart ergänzte das Bild. Die Augen unter den dichten dunklen Brauen waren grau und stechend. »Willst du mich damit schlagen?«, fragte er mit einer Kopfbewegung zu ihrer Krücke.
    »Vielleicht.«
    MacGregor zog eine dichte Braue hoch, als wäre der Gedanke völlig absurd, als könnte er ihr das Ding aus der Hand reißen, bevor sie nur daran denken konnte zuzuschlagen. »Hast du das gehört, Harley? Sie will mir eins überbraten.«
    Der Hund hob den Kopf, wie in Erwartung eines weiteren Befehls. Eine Seite seines Gesichts war schwarz, die andere weiß, das Fell gescheckt und zottig.
    »Pass auf, womöglich hat sie es auch auf dich abgesehen«, warnte MacGregor den Hund. Er ging zum Kamin, rückte den Ofenschirm zur Seite, ließ sich auf die Knie nieder und warf ein paar Scheite aufs Feuer. Die Flammen knisterten und züngelten nach dem Moos. Der Hund rührte sich nicht. »Wie fühlst du dich?«, fragte er über die Schulter hinweg. »Ich hatte nicht erwartet, dass du schon aufstehst.«
    »Ich musste ins Bad. Und ich fühle mich scheußlich. Ich müsste eigentlich ins Krankenhaus.«
    »Ich weiß.«
    »Und warum …?«
    »Konnte dich nicht hinbringen. Glaub mir, ich hatte es vor.« Er sah sie über die Schulter hinweg an. »Für den Fall, dass du es noch nicht bemerkt hast: Ich bin hier nicht gerade krankenhausmäßig eingerichtet.« Sein Blick glitt über ihr Gesicht und an ihr herab, und plötzlich kam sie sich nackt vor. Mit einer Kopfbewegung wies er auf ihren Knöchel. »Du solltest im Bett sein.«
    »Da war ich wohl schon ziemlich lange.«
    »Aber du musst liegen, den Fuß hochlegen, deine Rippen schonen.«
    »Jetzt sind Sie also Arzt?«
    MacGregor nahm einen Schürhaken vom Ständer neben dem Kamin und schob die Tannenscheite umher, bis es heller im Zimmer wurde. Goldene Schatten spielten an den Wänden. »Sanitäter. Im ersten Golfkrieg. Nach meiner Rückkehr war ich eine Zeitlang beim Rettungsdienst.«
    »Aber das haben Sie dann aufgegeben?«
    Er warf

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